Eine kleine Geschichte aus MAURITIUS

In unserem gesellschaftlichen Umfeld wahrgenommen wird die Philatelie nur, wenn es um die „Blaue Mauritius“ geht – sieht man einmal von der Britisch-Guyana 1 Cent ab (die es auf Grund ihres bemerkenswerten letzten Auktionspreises von 9,5 Mio. Dollar immerhin in die Liga mittelpreisiger Kunst-Avantgarde schaffte) oder der „Hepburn“-Marke der Bundesrepublik Deutschland, die als „Blaue Mauritius der Moderne“ (sic!) hochstilisiert wird.

Keine Chance ansonsten im gehobenen Feuilleton für die Philatelie, die dort bestenfalls unter dem Begriff „Briefmarkensammeln“ eingetopft wird, milde belächelt als einem Hobby für Uralte oder Kinder, bestenfalls etikettiert unter „Sammler sind glückliche Menschen“ – ohne dass einem solchen Sammler etwa die Ernsthaftigkeit im goetheschen Sinne von vornherein zugebilligt würde.

Nun also wieder „Mauritius“, Faszination und Mythos, wieder einmal greifbar geworden auf einer Auktion des Hauses David Feldman in Genf, Anfang Dezember 2016.
Zum Verkauf stand u.a. die Druckplatte der „Blauen“ und der „Roten Mauritius“. Apostrophiert als „das wertvollste Stück Kupfer der Welt“, galt diese Druckplatte seit einem Dreivierteljahrhundert als verschollen.

Eingeschätzt vom Auktionator mit 2 bis 3 Millionen Euro, war der Zuschlagpreis von 1,1 Mio. Euro am Ende fast mickrig zu nennen. Bleibt nur zu hoffen, dass das gute Stück irgendwann (oder irgendwie) im „Blue Penny“-Museum von Mauritius landet, denn dort gehört es hin.

Und das ist eine etwas längere Einleitung zu einer kleinen Geschichte, die unter der Rubrik „Wissen, das man nicht unbedingt braucht“ abgelegt werden könnte, die aber vielleicht doch ganz amüsant ist.

Meine Frau hatte mir zu meinem Abschied vom aktiven Auktionsgeschäft eine Reise nach Mauritius geschenkt (!), die wir dann auch im September dieses Jahres 2016 antraten.

In der Hauptstadt Port Louis gibt es zwei Museen, die den Philatelisten locken: Das Postmuseum (das allerdings in erster Linie mit einem Brief mit der ersten Marke der Welt, also der „Penny Black“ wirbt…) und das private „Blue Penny Museum“, das je ein Exemplar der „Blauen“ und „Roten Mauritius“ vorzuweisen hat. Der Erwerb dieser beiden philatelistischen Legenden wurde vor fast fünfundzwanzig Jahren durch ein gemeinsames Sponsoring mauritischer Unternehmen (u.a. der Air Mauritius und der Bank of Mauritius) möglich gemacht. Wer mehr über dieses kleine liebenswerte Museum erfahren möchte, dem sei die Webseite http://www.bluepennymuseum.com empfohlen.

„Joseph Osmond Barnard – does this name ring a bell to you?“ – diese Frage stellte ich etliche Male. Doch weder Taxifahrer, Hotelmanager oder Reiseleitungen konnten mit dem Namen etwas anfangen. Vielleicht war es auch etwas zu viel verlangt; vermutlich nur Philatelisten ist Monsieur Barnard als Entwerfer der ersten Briefmarken von Mauritius geläufig. Andererseits: man darf ihn sicherlich zu den berühmtesten Personen der mauritischen Geschichte zählen. (Abb. 2)

Auch unser kleines „Blue Penny Museum“ widmet ihm eine Schautafel, beschreibt seine Vita, die mit seinem Tod im Jahre 1865 endet und mit der Information, dass er auf dem „Western Cemetery“ von Port Louis beerdigt sei.

An dieser Stelle kam ich ins Grübeln, hatte mir doch vor Beginn unserer Reise unser alter Freund Wolfgang Jakubek gesagt: „auf dem Friedhof brauchst Du Barnards Grab nicht zu suchen, der ist auf seiner Zuckerrohrplantage beerdigt worden“.

Auf meine diesbezügliche Nachfrage im Museum wurde mir aber im Brustton der Überzeugung versichert, M. Barnard liege auf dem Friedhof von Port Louis.

Also hin zum Friedhof. Unser Fahrer war etwas unwillig, und das war auch verständlich, denn die Gegend um den Friedhof ist nicht etwa so, dass Sie dort gern im Dunkeln spazieren gehen würden. Eine riesengrosse Anlage, hunderte von Mausoleen und Gräbern – wo liegt Joseph Osmond Barnard begraben?

Etwas ratlos standen wir am Friedhofseingang (der Taxifahrer war vorsichtshalber im Wagen sitzen geblieben); eine Szene wie aus „High Noon“, links und rechts die staubige Strasse, vor uns der wenig einladende Friedhof, leere Plastikflaschen und Müll allerorten.

Auftreten: Jean Claude Ambamalee und sein Freund, beide – wie wir später sehen – Totengräber; in der einen Hand eine leere Gieskanne, in der anderen eine halbvolle Flasche Rum.

Nun erklären Sie den Herren bitte auf Kreolisch, was Sie wollen. „Barnard“ haben die beiden aber verstanden und, na klar, wir führen Sie hin (nicht ganz umsonst). Nach einigen Zickzackwegen auf dem Friedhof stehen wir wirklich vor einem Mausoleum und ein „Barnard“ scheint ausweislich der zerbrochenen Marmorplatte auch drin zu liegen. Nur leider war die Person schon im Alter von 9 Jahren gestorben.

Meiner Frau wurde die Sache langsam unheimlich – „lass uns mal lieber wieder zurück“. Wir wurden durch das Zickzack-Labyrith zurück zur Hauptstrasse und unserem Taxi geleitet (nicht ganz umsonst) und dann mit dem Versprechen verabschiedet, dass man weiterhin nach dem Grab von Joseph Osmond Barnard suchen würde. (Auch dieses Versprechen – nicht ganz umsonst). Unsere Kontaktadresse, Telefon und email, hinterließen wir auf einem Zettel.

Der Taxifahrer schüttelte ob meiner Investitionen in den örtlichen Spirituosenhandel nur den Kopf („dumme Touristen…“), meine Frau setzte noch einen drauf „von denen hörst Du nichts wieder“, aber ich glaubte fest an das Gute im Menschen.

So, und nun zeige ich Ihnen das Grab von Joseph Osmond Barnard.

Nachdem wir nämlich bereits etliche Wochen zurück in Hamburg waren, bekam ich eine email aus Mauritius mit Bildanhängen. Jean Claude hat das Grab von Barnard wirklich gefunden.

Die Inschrift war schlecht lesbar, aber er schrieb mir, dass er die Buchstaben mit schwarzer Farbe ausgemalt habe, damit das dann besser auf dem Foto sichtbar wäre.

Ich finde, das hat er gut gemacht, auch wenn eine solche Aktion vermutlich nicht generell mit den Statuten der Friedhofsverwaltung in Einklang steht.

Und wir haben den Beweis, dass Monsieur Barnard wirklich in Port Louis begraben liegt.


Abb. 1 aus Werbematerial der Firma FELDMAN S.A.

Abb. 2 aus P.Ibbotson „Mauritius Postal History and Stamps“