Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (26): Ritzebüttel „revisited“ oder: Sachen gibt`s, die gibt`s gar nicht….

Einen umfassenden Überblick über die in der Hamburger Enklave „Ritzebüttel“ verwendeten Poststempel hatte ich bereits in meine „Aspekten zur Hamburger Postgeschichte (14) Das Amt Ritzebüttel“ zu geben versucht. Das dachte ich zumindest.

Aber wie soll man über etwas berichten, von dem man gar nicht weiß, dass es existiert?

So erging es mir jedenfalls mit dem in diesem Artikel gezeigten Brief. Ein Rahmenstempel RITZEBÜTTEL aus dem Jahre 1853. Er ist weder im Standardwerk von Dr. Meyer-Margreth [1] noch im Stempelhandbuch der Arbeitsgemeinschaft [2] abgebildet oder beschrieben.

Erst das genaue Studium des „Lenthe“ über die Poststempel von Hannover [3] brachte eine Erklärung:

„Ein ungewöhnlich großer Rahmenstempel von RITZEBÜTTEL, wo seit 1.Januar 1852 ein hannoversches, durch den dortigen hamburgischen Postbeamten mitverwaltetes Postbüro eingerichtet war, ist bisher nur in 2 Exemplaren vom März 1853 (einmal auf Marke 1ggr grün, einmal ohne Marke auf Brief) bekannt geworden, seine Herkunft ist nicht nachweisbar, Hamburg, dessen Stempel sich auch auf Hannover-Marken befinden, hat ihn bisher für sich nicht in Anspruch genommen.“

Hier nun der Stempel:

Ein blauer zweizeiliger Rahmenstempel (57x20mm), datiert RITZEBÜTTEL APR 1  auf einem Brief nach Kirchwärder im Bergedorfer Landbezirk (Vierlande). Vorderseitig mit dem Fußpoststempel, rücks. der Ovalstempel des Hamburger Stadtpostamtes, beide vom gleichen Datum (3.4.1853). Der Brief lief dann nach Bergedorf (roter Zweizeiler rückseitig), und der vorderseitige Rahmenstempel B.L.P.A. (Bergedorfer Landpostamt) bestätigt die Weiterbeförderung über Bergedorf hinaus.

Warum ist dieser Stempel so selten?

Eine mögliche Erklärung ist sicher, dass der Einkreisstempel von Ritzebüttel der – anfangs in schwarzer, später in blauer Stempelfarbe – über viele Jahre Verwendung fand, bereits ab Anfang April 1853 in Gebrauch gewesen sein muss. Im Stempelhandbuch der Arbeitsgemeinschaft [2] wird der 4.4.1853 als frühestens Datum genannt. Vielleicht ist der Rahmenstempel auch kaputt gegangen oder wurde – nach Einführung des Einkreisstempels – bestenfalls noch als Reservestempel verwendet.

Mehrere „Raritätsfaktoren“ kommen bei dem oben gezeigten Brief zusammen. Neben dem ohnehin raren Abgangsstempel noch die seltene Destination „Bergedorfer Landbezirk“ (und dazu noch an die Privatadresse von Pastor Lüders in Kirchwärder…). So soll dieser Brief, der aus der berühmten „Boker“-Sammlung stammt (und auch dessen handschriftliche Notizen rückseitig trägt), im Jahre 1989 bei Köhler in Wiesbaden zum Preis von 5.000 DM zugeschlagen worden sein, einem zur damaligen Zeit „riesigen“ Preis für einen vorphilatelistischen Brief…

 

[1] Meyer-Margreth, Dr.Ernst. Die Poststempel von Hamburg. Hamburg, 1965.

[2] Handbuch der Poststempel von Hamburg bis 1875. Hrsg. Arbeitsgemeinschaft für Postgeschichte und Philatelie Schles-Holstein, Hamburg und Lübeck e.V. Hamburg, 2004.

[3] Lenthe, A.von. Hannover, Postanstalten und Poststempel. Hannover, 1971.

Kennen Sie den „Froede“ ? – Fundstücke aus der Philatelistischen Bibliothek

Hans Froede, sein Name ist heute Schall und Rauch. In den 1930er Jahren war für jeden Deutschland-Sammler der „Neue Froede“ ein Begriff.

Ende der 1920er Jahre hatte Hans Froede erkannt: Von Deutschlands Briefmarkensammlern sammeln die meisten – das ist klar – Deutschland! Er stellte fest: Was diesen tausenden Sammlern fehlte, das war ein praktischer Katalog, einer, der sich bequem in die Jackentasche stecken ließ. So einen gab es nicht. Also sorgte der Hans Froede-Verlag in Düsseldorf für Abhilfe und produzierte einen Deutschland-Katalog im praktischen Format. Seine Höhe 23,5cm und die Breite 11cm.

Dieses bisher unbekannte, schlanke Format wurde zum Renner. Es entwickelte sich der Slogan „Jeder Deutschland-Sammler hat einen Froede in der Tasche“. Froede war zudem ein cleverer Geschäftsmann. In seinem Verlag waren zwei Mitarbeiter nur mit aktueller Preisbeobachtung beschäftigt. Der Katalog war also auf Basis von „Netto-Preisen“ ausgerichtet. Die Preisangaben fanden auch im Handel weitgehend Zustimmung. Noch Ende der 1940er Jahre war der „Froede“ ein Wegweiser. Der heutigen Sammlergeneration ist er unbekannt.

Mysterium „Michel“ – oder: Die Bibel der Sammler ?

Glauben Sie nicht alles, was im „Michel“ steht…

Neulich sagte ein alter Freund zu mir: „Du musst Dir mal einen neuen „Michel“-Katalog kaufen, die Preise in Deinem Katalog sind ja hoffnungslos veraltet“. Nun, ich hatte gerade meinen Deutschland-Band 2 aus dem Jahre 2017 aufgeschlagen, und es ging um ungezähnte Ausgaben der Bundesrepublik aus den 1960er Jahren. Ganz konkret ging es um den „Geschnittenen Bismarck“, die Katalognummer 463 U; diese hochgeschätzte Marke notiert nämlich im Katalog vor 7 Jahren mit dem stolzen Betrag von 1000 Euro, im Jahre 2024 ist der Preis halbiert, auf 500 Euro. „Dafür muss es doch plausible Gründe geben“, dachte ich mir. Eine Rückfrage beim zuständigen Verbandsprüfer, wie viele Exemplare sein Prüfbüro denn in den letzten 30 Jahren vorgelegt bekommen hätte, ergab die ernüchternde Zahl „gerade mal ein halbes Dutzend“.

Die Angelegenheit ließ mir keine Ruhe und ich verglich nun einige andere Preise ungezähnter Marken der Bundesrepublik aus den 1960er Jahren. Und siehe da, unser alter Bismarck war nicht das einzige Opfer des Michel-Kahlschlages.

Noch stärker „gerupft“ wurden z.B. die Europamarke aus dem Jahre 1964 (Mi.Nr. 446U), die von 600 auf 250 Euro mehr als halbiert wurde und auch die wunderschöne Sondermarke zum 125jährigen Jubiläum der Briefmarke (Mi.Nr.482 U), bei der die Sense von 850 Euro auf nunmehr 400 Euro niederging. Beide Stücke sehen Sie oben.

Der Markt sagt uns etwas anderes:

Jüngst sah ich zwei Ergebnisse auf Auktionen, die doch recht bemerkenswert waren.

Dieses Paar (die linke Marke rechts ungezähnt, die rechte Marke völlig ungezähnt) erzielte auf einer Auktion in Düsseldorf im Juni 2024 den stolzen Preis von 1500 Euro (+ Aufgelder), der „Michel“-Wert für zwei Einzelstücke: 900 (Neunhundert) Euro.

 

Und bei diesem „Geschnittenen Bismarck“ fiel der Auktionshammer auf einer Auktion in Hamburg, Anfang Juli 2024,  bei 1000 Euro (+ Aufgeld), „Michel“-Wert – s.o. – 500 (Fünfhundert) Euro.

Das Katalogwerk des „Michel“-Kataloges ist sicher eines der besten weltweit. Die „eigenen Recherchen und die umfassende Marktbeobachtung“ bei der Preisgestaltung, die, wie die Redaktion stets in ihren Vorworten betont, ausschlaggebend sind, müssten bei den oben genannten Ausgaben allerdings zu anderen Resultaten führen!