Rares Und Kurioses (9)

– Unser Autor Gerd H. Hövelmann kommentiert –

Abschied, aber kein Abgesang

Wie Hans-Joachim Schwanke selbst in seinem kurzen Auktions-Vorwort auf dieser Internet-Seite bereits mitgeteilt hat, wird am 24.–25 Juni 2016, nach beinahe einem halben Jahrhundert des Auktionsgeschäfts, die 356. Schwanke-Auktion zugleich auch die letzte unter dieser Firmierung sein. Diese Zahl steht für eine eindrucksvolle Parade eigenständiger philatelistischer Versteigerungen ebenso wie für eine imposante persönliche Bilanz. Wie es am selben Ort mit wohl im Wesentlichen gleichem Mitarbeiterstab in Zukunft philatelistisch und geschäftlich weitergehen soll, wird sicher zu gegebener Zeit, aber erst nach dem Abschiedskonzert, Gegenstand einer eigenständigen Mitteilung werden.

Ich will nicht verhehlen, dass ich diese Entwicklung und die ihr zugrundliegenden Entscheidungen mit großem Verständnis und noch größerem Bedauern zur Kenntnis genommen habe. Viele (und ich schließe mich selbstverständlich ein) haben Hans-Joachim Schwanke Mancherlei zu verdanken. Das Verhältnis zwischen dem Auch-Journalisten und dem Auktionator und zeitweiligen BDB-Präsidenten war über die Jahrzehnte unserer Bekanntschaft nach meiner Wahrnehmung immer ausdrücklich freundschaftlich, nie bloß professionell, vor allem aber stets angenehm unaufgeregt.

„Bella, Bella…“

Seinen letzten Auktions-Spezialteil hat Schwanke nun mit „Bella Italia“ überschrieben, und „bella“ ist Vieles, das man unter den knapp 250 ausgesuchten Positionen mit einem Gesamt-Schätzwert von fast 120‘000 Euro zu sehen bekommt: ein durchaus nicht unbedeutendes Italien-Angebot mit mancherlei Spezialitäten und erstaunlich vielen wirklichen Seltenheiten, fast alles – und das verdient besondere Betonung – in einer löblichen Erhaltung, die auch ein qualitätsverwöhnter Italiener kaufen kann. Hinzu gesellen sich kleinere, aber sehr schöne Abteilungen Österreich und China (jeweils ab der Klassik). Dieser interessante, hochwertige Teil, der (fast lückenlos, wie es scheint) auch alle italienischen Nebengebiete zum Zug kommen lässt, wird am 24. Juni versteigert – zusätzlich zu der bei den Schwankeschen Sommer-Auktionen üblichen breiten Sammlungs-Offerte.

Auch in dieser letztgenannten Sektion gibt es Vieles, das ausweislich der Beschreibungen oder sporadischer Illustrationen einen zweiten und dritten Blick rechtfertigt. – Man muß zu einem solchen Auktions-Angebot nicht viele Worte machen, weil es in jeder Hinsicht wohlstrukturiert ist und sich gewissermaßen von selbst erklärt und empfiehlt. Der Sammlungs-Abschnitt mit einer vierstelligen Zahl an Kollektionen, Posten und Partien beginnt mit Nachlässen zu Schätzpreisen von bis zu 10.000 Euro, was entschieden nach frühzeitiger und sorgfältiger Besichtigung verlangt.

Und zuguterletzt wäre diese Schwanke-Auktion keine Schwanke-Auktion, wenn sie nicht eine sehr gute Auswahl wichtiger Fachliteratur (ca. 350 Positionen) zu vielerlei philatelistischen Spezialisierungen anböte. Das – auch das – werden wir vermissen.

Und schließlich – Hans-Joachim Schwanke hat mir im Verlauf dieser lockeren Websiten-Rubrik mehrmals Gelegenheit gegeben, darauf hinzuweisen – empfiehlt es sich, Losbeschreibungen immer sehr aufmerksam und vor allem vollständig zu lesen und nicht jedes Wort für bare Münze zu nehmen, etwa wenn es bei Los Nr. 1071 zum Schluß heißt: „Dr. Penning beiliegend“. Nicht, daß mir da im letzten Moment noch Klagen kommen.

Gerd H. Hövelmann

Rares Und Kurioses (8)

Lichterloh

Neulich hat man mich gefragt, wie es denn komme, dass über den insgesamt doch regen und umsatzträchtigen philatelistischen Auktionsmarkt weder in der überregionalen Tagespresse noch in den gerade in Deutschland vielfältigen und eigentlich der Sache nach zuständigen Wirtschaftsmagazinen jemals etwas zu lesen sei. Diese Frage hätte eigentlich eine ausführliche empirische und analytische Beantwortung verdient. Dafür stehen aber hier und jetzt weder die Zeit noch der Raum zur Verfügung. Um wenigstens eine kurze Antwort will ich mich nach einigen Jahrzehnten Erfahrung und Vertrautheit mit beiden Branchen, dem Briefmarkenmarkt und dem Journalismus, aber nicht herumdrücken.

Diese Kurzantwort (und der Name betont schon, dass sie eben „verkürzt“ ist) könnte etwa folgendermaßen lauten: Ob es uns gefällt oder nicht, die Befassung mit Briefmarken und/oder Postgeschichte einerseits und der (Auktions-)Handel mit eben diesen Gegenständen andererseits gelten presse-öffentlich als ausgemachte Nicht-Themen. Wenn Sie nicht gerade den strategischen Aufmerksamkeitswert einer wertvollen Spitzenrarität wie einer British Guyana, einer Blauen oder Roten Mauritius, wenigstens einiger Hawaii Missionaries oder ähnlich hochrangiger Raritäten in die Waagschale werfen können, dann wird Ihnen kein gestandener Redakteur oder (Wirtschafts-)Journalist Aufmerksamkeit schenken. Denn alles andere als solche Spitzenware mit Weltruf und Weltrang liegt in aller Regel deutlich unterhalb der Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsschwelle eines Journalisten der Tagespresse, zu dem Sie keine persönlichen oder sonstige Beziehungen pflegen.

Wenn Sie außerdem auch keinen Händler oder Auktionator mit den sprichwörtlichen Entertainer-Qualitäten eines Wolfgang Jakubek am Start haben, dann müssen Sie der Presse mit Briefmarken gar nicht erst kommen, obwohl die Branche doch jährlich überaus respektable Umsätze erzielt. Die Philatelie selbst und das Briefmarkenhandels- und Auktionsgeschäft taugen nicht als allgemein kommunikable  Blickfänge. Sie haben für die nicht eigentlich philatelistisch interessierte Öffentlichkeit einfach keinen Nachrichten- oder Neuigkeitswert, der über die Dauer eines Wimpernschlags hinaus erhalten bliebe, und sie erzeugen keine Schlagzeilen und haben keinen Spannungsbogen, die einen traditionell geprägten und gesonnenen Journalisten in ihren Bann ziehen und zur Berichterstattung anspornen könnten.

Ich will Ihnen ein (nur auf den ersten Blick abenteuerliches) Beispiel geben: Wenn Sie beispielsweise eine preisgekrönte Ausstellungs-Sammlung im Handelswert von, sagen wir, einer Viertelmillion Euro auflösen oder sie gegebenenfalls sogar geschlossen anbieten, dann könnte das in der Regel den Journalisten der Tages- oder Wirtschaftspresse gar nicht gleichgültiger sein. Nehmen Sie aber dieselbe Sammlung, schichten sie adrett auf und verbrennen sie öffentlich vor dem Rathaus, dann sind sie gleich alle da – mit Notizblock und Mikro, Ü-Wagen und Scharen von Fotografen. Eine öffentliche, schlagenzeilenträchtige Existenz (und sei es nur wegen einer Marken- Hinrichtung), so lernen wir, hat nur dasjenige, was für die Mehrheit ein hinreichendes Aufregungspotential bietet oder was der liebe Nachbar nicht hat, aber gerne hätte. Nicht mein Beispiel ist eklatant, sondern die Tatsache, dass es wahr ist. Diese entschiedene Nichtbeachtung oder Geringschätzung seitens der Presse ist übrigens nicht notwendigerweise zum Schaden der Markenbranche – das genauer zu erläutern, wäre aber wiederum notwendig ein Teil der langen Antwort, die wir ja eingangs bereits einstweilen zurückgestellt hatten.

Not a Big Deal

Es ist ein wenig wie ehemals das österliche Eiersuchen mit den Kindern: Nicht die Größe des Objekts ist es, die aus dem frühlingsgrünen Dickicht und Gebüsch heraussticht, sondern die Buntheit und der Abwechslungsreichtum des absichtsvoll-unzureichend Verborgenen. Man könnte auch sagen: Herrlich schön bunt und wandelbar, mit etlichem Überraschenden, Unerwarteten – so präsentiert sich die Welt nämlich auch im jüngsten Schwanke-Katalog zur 355. Briefmarkenauktion. Auch hier begegnen wir etlichem Kostbaren, dem schon aus pekuniären Gründen Begehrenswerten. Doch recht eigentlich Farbigkeit ins philatelistische Repertoire bringen die nicht ganz so kostspieligen und exklusiven, aber dennoch höchst spannenden Marken und (beispielsweise) postgeschichtlich aussagekräftigen Briefe, die gleichfalls reichhaltig vorhanden sind. Damit enden nun freilich die ostern-affinen Parallelen; das weiter Vorzustellende erfordert vielmehr eine ganz genaue, wenn auch hier notgedrungen verkürzte Betrachtung.

Ich möchte Ihnen also an dieser Stelle nicht so sehr die kostspieligsten Offerten für das große Panama-Geld vorführen (zu denken ist etwa an die offerierte rare Top-Ausgabe der Republik des Fernen Ostens einschließlich aller drei Aufdruck-Kopfsteher für 12.000 Euro oder auch an einen augenscheinlich gut besetzten, auf der Schwanke-Website umfangreich bebilderten Preußen-Bestand zu 10.000 Euro). An „großen Stücken“ andererseits nicht ganz vorenthalten und wenigstens erwähnen will ich zum Beispiel eine Preußen-Ganzsache mit dem ungewöhnlichen und außerordentlichen seltenen vierzeiligen Berliner Vorort-Rahmenstempel von „MOABIT“, der, zumal in so schöner Ausprägung und Präsentation, kaum wiederzubeschaffen sein dürfte (Los 1574, 2000 Euro).

Postgeschichtlich oft spannender als die „großen Brocken“ sind oft ausgesucht gute, teils unerwartet seltene kleine Schönheiten im Preisbereich zwischen ca. 150 und 600 Euro. Viele kleine Spezialitäten sind im Übrigen auch schon zu Kursen unter 100 Euro zu haben; man muss nur genau schauen und hinsichtlich des Eingliederungs-Potentials in die jeweils eigene Sammlung ein wenig Phantasie walten lassen. Sehen Sie das Auktionsangebot doch daraufhin noch einmal gezielt durch. Sie werden zur eigenen Überraschung manches kleine Liebhaberstück entdecken, das Ihnen beim ersten Blättern im Katalog oder einer kursorischen Wanderung über die Website noch entgangen war. Konzentrieren Sie sich dabei auf nicht unbedingt kostspielige Stücke, sondern auf solche, an denen das Auge beim genaueren Katalog-Scan interessiert und wohlgefällig hängen bleibt. Gerade von dieser Sorte und Qualität gibt es im Schwanke-Angebot viel mehr Stücke als hier auch nur angedeutet werden kann. In diesem Sinne: machen Sie das Beste daraus.

Vanishing Lizzy

Nicht versäumen will ich zum Schluss, auf eine ganze Reihe von wirklich ungewöhnlichen Abarten und Besonderheiten hinzuweisen. Sie werden erstaunt sein, was sich im Angebot zwar versteckt hat, aber gefunden werden will. An erster Stelle zu erwähnen ist hier zweifellos eine nach wie vor nicht so recht geklärte blaue, teilgeschnittene Freimarke Schwedens, die in Normalerhaltung aus Markenheftchenblättern eigentlich den Nennwert 1,65 Kronor hätte tragen sollen, jedoch unverkennbar als eine Marke zu 1,75 Kronor vorliegt (Los 562, MiNr, 1158, 2000 Euro) – Probe, Klischeevertauschung, oder was? Entstehungsgrund und Überlebenszufall sind weiterhin ein wenig rätselhaft. Wo aber ein Exemplar entstanden ist, muss es angesichts der Konfektionierungform in Heftchenblättern noch mindestens neun weitere geben oder gegeben haben. Wieviele von diesen werden noch auftauchen? Diese rare Besonderheit ist ja dann und nur dann auffällig, wenn man schon weiß, dass der korrekte Nominalwert 1,65 Kronor hätte sein sollen. Es ist wie so oft in der Philatelie: Die fehlproduzierten 1,75er sollten eigentlich alle vernichtet sein – eine (bisher mithin ein Unikat) ist es aber bisher nicht, sondern strahlt den Betrachter sehr schön blå und ansonsten einwandfrei an.

Mehr als nur einen zweiten Blick wert ist auch ein Zehnerblock der MiNr. 38 von Singapore auf dem das Medaillon-Portrait von Queen Elizabeth in beiden Markenreihen von links nach rechts immer schwindsüchtiger wird. Im Auktionskatalog und auch in der sonstigen Fachliteratur wird diese augenfällige Abart meist sowohl sprachlich als auch sachlich ungenau als „Disappearing Queen“ bezeichnet, während sie sprachlich angemessener und eleganter eigentlich „Vanishing Queen“ heißen müsste. „Disappearing“ heißt: Gerade war sie noch da – und schon ist sie weg; „vanishing“ dagegen beschreibt den Umstand, dass die Farbgebung nach und nach im Bogenverlauf immer fadenscheiniger wird und sich zu einer Seite hin allmählich ganz verflüchtigt. Eben letztere Erscheinung haben wir hier vor uns. Es gibt mehrere Markenausgaben Englands und aus anderen Gegenden des British Empire, bei denen eine solche Erscheinung beobachtet werden konnte; jedoch selten so schön wie hier (Los 906, 1500 Euro).

Nicht schließen will ich, ohne auf die wirklich gute, über 350 Positionen starke Literatur-Offerte hingewiesen zu haben, die teils bemerkenswert seltene und gesuchte Werke für echte Kenner, Wißbegierige und Liebhaber bereit hält. Überragend ist hier zweifellos ein Album de Grand Luxe – 105 Einzeldrucke der Gemeinschaftsausgaben des Französischen Weltreichs „Du Tchad au Rhin“ und „Victoire“ auf hochwertigem Bütten gedruckt und als Luxusausgabe im Halbledereinband gebunden. Eine bibliophile Rarität aus dem Jahr 1946, das in einer Auflage von nur 30 Exemplaren produziert wurde.

Gerd H. Hövelmann

Rares und Kurioses (7)

Martinas weiter Wurf

Wir alle kennen das nur zu gut und haben es schon bis zum Überdruss mit eigenen Augen sehen müssen: Als „Sammlung Alle Welt“ wird manches Markengewusel gerne von kenntnisarmen Zusammenträgern tituliert, das dann von Händlern, Auktionatoren und anderen Erfahreneren nur (und allenfalls) mit ganz spitzen Fingern weitergereicht wird. Meist handelt es sich um umfangreiche Konglomerate von Steck- und Vordruckalben, in die der Sammler, nicht selten von Kindesbeinen an, alles dasjenige länderweise und in der Regel katalogunsicher einsortiert hat, was vor seinem Pinzettenzugriff nicht mehr zu retten war. Solche Objekte dokumentieren wenigstens dreierlei: Dem betreffenden Sammler fehlte es – außer an einem hinreichenden Kontostand und an ein wenig Mut – vor allem an den für die Sammlungsanlage erforderlichen philatelistischen und Markt-Kenntnisse. An den so entstandenen „Sammlungen“ kann man dieses Manko unschwer ablesen. Ich weiß, wovon ich rede: Ich habe gerade ein solches Objekt in meinem Büro herumstehen: zwei riesige Umzugskartons, gefüllt mit teueren Vordruck- und wohlfeilen Steckalben, dazu dann die üblichen Markenwüsten in Zigarrenkisten und Tupperware, in Tütchen und Umschlägen sowie abenteuerlich-bunte Zusammenstellungen mit Titeln wie „250 Verschiedene von Ganz-Weit-Weg“.

Manches ist in solchen Objekten durchaus sauber und ordentlich gesteckt und macht auf die Gattin und andere Nichtphilatelisten einen wenigstens aufgeräumten Eindruck. Aber der Kenner blättert dieses ganze Gewese mit zunehmendem Tempo und Schrecken durch, nur um dabei festzustellen, dass diese „Kollektion“ unter peinlichster Vermeidung jeglicher auch nur potentiell wertträchtiger Briefmarke angelegt worden ist. Zwei prall gefüllte Umzugskisten – und der Heizwert liegt erkennbar über dem Handelswert! Bund, Berlin und DDR von 1960 bis 1980 bilden die „Lichtblicke“ dieses verzweiflungswürdigen Bestands. Oft hoffnungslos ist dann der Versuch, die Eigentümer sachlich über den Unwert ihres Erbes aufzuklären, Eigentümer, die einfach nicht begreifen können, dass „der Vater“ nicht wirklich wusste, was er tat. Die beiden Kisten in meinem Büro wären mit zusammen 50 Euro völlig ausreichend bezahlt. Aber ich traue mich nicht, sie jemandem anzubieten.

Zeugnis philatelistischer Umsicht und Klugheit

Anders – und zwar sehr grundlegend anders – präsentiert sich ein sicher ebenfalls mit „Kollektion Alle Welt“ oberflächlich zutreffend bezeichneter Bestand von ausgesucht guten Ländersammlungen von allen Kontinenten, der die aktuelle Schwanke-Auktion eröffnet: Sammlungen Alle Welt, aus zahlreichen verschiedenen Ländern – oft sehr gut bestückt und (soweit die Ferndiagnose ein solches Urteil erlaubt) nahezu ohne Ausschuss. Von deutschen und europäischen Sammelgebieten, aber selbst auch aus entlegeneren Weltgegenden – etwa kleineren Staaten Südamerikas, der Karibik, Afrikas, Südostasiens oder Ozeaniens bis hin zu aller Herren Inselchen – sind sehr solide ausgebaute, qualitativ und in der Regel auch wertmäßig gutklassige und ausgewogene Länder- und Gebietssammlungen vorhanden, sehr häufig beginnend mit der jeweiligen klassischen Markenerstausgabe (MiNrn. 1 und folgende). Diese Einzelobjekte, mit tätigem Phila-Verstand angelegt, sind offensichtlich allesamt reich- und werthaltig genug, um jeweils für sich alleine bestehen und entsprechend separat angeboten werden zu können. Über welche „Alle-Welt-Sammlungen“ kann man schon Vergleichbares sagen?

Auf diese Weise, mit dieser länderweisen Portionierung und mit dieser qualitativen Klasse (über die auch die vielen Zusatzabbildungen der Schwanke-Website attraktiven Aufschluss geben), kommen auktionseröffnend exakt 365 Einzelsammlungen und –partien per Sonderkatalog auf den Laufsteg der Hamburger Auktion. Gemeinschaftlich bringen diese Positionen es auf eine Gesamtschätzung von immerhin mehr als 210.000 Euro (575 Euro/Los im Durchschnitt). Da praktisch jedes dieser werthaltigen, oft auch mit besseren Doubletten und mit begehrten Spezialitäten bestückten Einzelobjekte zur detaillierteren Auflösung durch den Handel oder zum weiteren Ausbau durch den Sammler geeignet scheint, darf man getrost vermuten, dass der Gesamterlös dieser schönen Partien ihrem Schätzwert beträchtlich davonlaufen wird.

Genau 365 Einzelpartien könnten sicherlich dazu verführen, den Gesamtbestand, entsprechend dem kalendarischen Verlauf, als „Jahreslauf-Sammlung“ (oder irgendwie ähnlich, aber im selben Sinne) zu bezeichnen. Das mag, falls es denn überhaupt jemals ernsthaft erwogen wurde, daran gescheitert sein, dass wohl der Einlieferer selbst eine eher noch sympathischere Bezeichnung gefunden hat: Der Bestand trägt nun den Namen „Sammlung Martina, Philatelie weltweit“ – mutmaßlich der erste nennenswerte Name Sale der Auktionsgeschichte, der nach einem Kind im Vorschulalter benannt ist. Denn Martina heißt die 4-jährige Enkelin des Einlieferers, und der Versteigerungserlös soll dereinst die Ausbildung der jungen Dame gewährleisten. Die kleine Martina sollte sich schon jetzt mit kräftigen Lobpreisungen ihres Großvaters nicht zurückhalten. Angesichts des zu erwartenden Erlöses muss uns jedenfalls um Martinas Zukunft nicht bange sein. Der Verkaufserlös dürfte – und von akademischen Bildungsgängen verstehe ich etwas – bei solidem Lebenswandel beispielweise selbst für die Ausbildung an einer der amerikanischen Elite-Universitäten ausreichen. – Lassen Sie uns also schauen, dass aus dem Kind was wird…

Was ich sonst noch sagen wollte

Über die Freude an kleinen gediegenen Qualitäts-Ländersammlungen soll nicht vergessen werden, dass im Schwanke-Angebot auch für diejenigen schönstens gesorgt ist, die statt gleich mit ganzen Sammlungen lieber mit wenigen und im Extremfall nur mit einer einzigen, dann vergleichsweise wertvollen Briefmarke zufriedenzustellen sind. Dafür bietet die Auktion reichlich Gelegenheit und eine ansprechende Auswahl.

Der Reigen beginnt u.a. mit recht gehaltvollen Offerten mehrerer Dutzend Einzellose von Albanien und Äthiopien (Gesamtpreisansatz über 14.000 Euro €) und geht beispielsweise über ein gutes Sortiment von rund einem Dutzend Losen (Zungenwerte) Finnlands, Dänemarks MiNr. 2I auf gutem Brief (2000 €), eine Kabinett-Einzelfrankatur von Portugals 50 Reis der Erstausgabe (4000 €), je eine 54 und 108 Parale des Fürstentums Moldau (2000 bzw. 7000 €), eine seltene MiNr. 3 Type II der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft auf Brief (4500,-), eine den Titel des Hauptkatalogs zierende spektakuläre Fünffarbenfrankatur der Österreichischen Post in der Levante (7500,- €), eine gute dreifarbige Frankatur von Modena (3000,- €), eine rare teilgezähnte „10 Centesimi bistro“ (MiNr. 9bUu) Italiens (4000,-€) und Parmas Erstling auf kompletter Zeitung (2000,- € / von MICHEL mit lustigen 54,000 € bewertet) bis hin zu Liechtensteins ungebrauchter Dienstmarke MiNr. D5B mit sehr seltener Zähnung (3000,-€).

Gefallen könnte manch Einer sicher auch an einem illustrierten, kolorierten und mit einem Ganzsachen-Ausschnitt frankierten Karikatur-Umschlag von der britischen Insel finden, den wir, eben weil er so gefällig ist, hier ebenfalls im Bild zeigen möchten (700,-).

Nicht unbedingt auf der Raritäten-, ganz sicher aber auf der Kuriosa-Seite werden wir wohl ein größeres Briefstück aus Chile mit nicht weniger als drei waagerechten und einer senkrechten Halbierung der 10 Centavos, MiNr. 2I, einzuordnen haben. Wenn wir uns nicht einen wirklich exzentrischen Bediensteten im Postamt CALDERA ausmalen wollen, dann müssen wir wohl annehmen, dass der Kollege dort Markenhalbierungen nicht „nach Bedarf“, sondern „auf Vorrat“ hergestellt hat, die der dann – eben doch im Bedarfsfall – wieder zu einer portorichtigen Frankatur zusammengeflickt haben wird.

Hawaii (inkl. besserer Ganzbogen oder Bogenteile) und China (frühe Ausgaben ebenso Kulturrevolution) sind ebenfalls mit interessanten Offerten vertreten. Und wer es gerne sehr günstig (75,-) und dennoch attraktiv und postgeschichtlich ein wenig rätselhaft mag, der ist mit einer hübschen Ganzsache Jaipurs mit Zusatzfrankatur sicherlich gut bedient (hilfreich wäre freilich, wenn man ein wenig Bengali verstünde). Weniger rätselhaft, dafür um Einiges kostspieliger ist dagegen ein seltener Doppelaufdruck auf einer ungebrauchten MiNr. 18 von den Cayman Islands (8000,-) – sicher gibt es dafür auf der Ursprungs-Insel ein passendes Schließfach.

Aus deutschen Landen schließlich, um die nicht ganz aus dem Blick zu verlieren, bietet der Hauptkatalog der anstehenden Schwanke-Auktion im Einzellos-Teil manches interessante Stück, das der eigenen Sammlung sicher zur Zierde gereichen könnte. Ich denke dabei beispielsweise  an einen bemerkenswerten, seltenen und außerdem schönen Incoming-Brief nach Braunschweig aus Neusüdwales aus Jahr 1864 – er ist praktisch einmal um den Globus gereist und ist dennoch kein Allerwelts-Brief (Los 2004, 1500,- €).

Hinzu kommt ein im mittleren Preisbereich starker deutscher Kolonienteil, darunter eines von nur fünf bekannten gestempelten Exemplaren der MiNr. 18F der Britischen Besetzung Togos, ein Top-Stück, für 8000,- €. Mehr als ein Dutzend Exemplare der Oppelner Notausgaben mit relativ neuen Gruber-Prüfungen werden, da bin ich sicher, ebenfalls Interesse finden.

Und zuguterletzt treffen wir uns ja vielleicht noch auf ein „Gesundheitsbier“ (siehe „Hamburger Luxusbriefchen von 1865“, Los 2084, Rückseite)!

Gerd H. Hövelmann