Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (30): Die „Gezähnten“ kommen!

Die „Postautomatisation“ macht auch vor Hamburg nicht halt: am 26.August 1864 erscheinen von fast allen Wertstufen gezähnte Versionen.

Das zunehmend höhere Postaufkommen erforderte ein schnelleres Abfertigen der Postsendungen, und die Perforation der Markenbögen erleichterte den Postbetrieb ungemein, auch wenn an das Publikum nach wie vor nur ganze Markenreihen (à 8 Stück) abgegeben werden sollten.

Mit Ausnahme der Wertstufen zu 1 1/4 und 2 1/2 Schilling kamen alle Werte ab dem 26.8.1864 an die Postschalter. Die beiden „Ausnahmen“ nehmen ja schon aufgrund ihres abweichenden Druckverfahrens (Steindruck statt Buchdruck) eine Sonderstellung ein; ich habe dazu ja schon an anderer Stelle ausführlich berichtet (Aspekte (5) – Der Beginn des Deutsch-Dänischen Krieges und die postalischen Auswirkungen). Nachfolgend nun ein Ausflug zu den anderen Wertstufen, ihren Besonderheiten und Verwendungen.

Die Wertstufe zu 1/2 Schilling.

 

Die 1/2 Schilling-Wertstufe wurde oft zur Ergänzung bzw. zum „Kombinieren“ gebraucht. Bei den Steindruckmarken hatte ich schon bei den Norwegen-Frankaturen (Aspekte Nr.5 – siehe oben) darauf hingewiesen. Hier kommen nun noch ein paar andere Beispiele:

„Krumme“ Portostufen kamen häufiger vor, wie auch schon an anderer Stelle erwähnt. Die oft zitierte „preussische Sparsamkeit“, nämlich bloß nicht zu viel zu frankieren, war sicher oftmals dem Bedürfnis untergeordnet, die Briefe so schnell wie möglich zu spedieren. Und wenn mal 1/4 oder 1/2 Schilling zu viel draufgeklebt werden musste, weil eben gerade nichts „Passendes“ zur Hand war, war dies von nachrangiger Bedeutung. Man kann aber generell sagen, dass alle diese Mischfrankaturen recht selten sind.

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (29): Eine interessante Abart – Das verkürzte zweite „l“ in „Schilling“

„Eine Sammlung wird durch Abarten erst schön!“ – titelte Wolfgang Jakubek in einem Artikel des Briefmarken-Spiegels aus dem Jahre 2002 . Er stellte in dem damaligen Beitrag den Plattenfehler „Basis des zweiten „l“ in „Schilling“ verkürzt“ auf der 3-Schilling-Marke gezähnt (Mi.Nr.15) vor.  Obwohl dieser Fehler schon seit weit über 100 Jahren (nämlich seit 1892) literaturbekannt war, hatte der Michel-Katalog bis zum Jahre 2003 keine Notiz davon genommen.

Damit Sie wissen, worum es geht, hier nachstehend einmal die Abart auf drei Einzelmarken:

Nachdem der Artikel im BMS erschienen war, gab es einige Rückmeldungen von Sammlern, die diesen Fehler in ihren Sammlungen gefunden hatten. Die Statistik von Herrn Jakubek, zu der Zeit (2002): 5 lose Stücke, ein Brief und ein Briefstück! Das dürfte also danach etwas aktualisierungsbedürftig gewesen sein. Natürlich ist der Plattenfehler keine „Massenware“… Anhand eines Oberrand-Bogenteils konnte ich die Position im Bogen feststellen, bei der dieser Fehler auftritt:

 

Das Suchen und Finden ging aber weiter: Der gleiche Plattenfehler kommt schon auf der ungezähnten Ausgabe vor – mit Hilfe der Verbandsprüferin, Frau Gertraud Lange, konnten wir ihn auf drei Briefen nachweisen. Einen davon zeige ich Ihnen hier:

Auf einem Brief aus der berühmten „Boker“-Sammlung nach Amsterdam findet sich der Fehler auf der linken Marke eines waagerechten Paares; damals, in den 1980er Jahren, wurde er noch unerkannt verkauft!

Frau Lange konnte weitere interessante Details beisteuern. In ihrem Archiv hatte sie den Fehler auch auf einem Probedruck-Bogenteil der 3 Schilling (Mi.Nr. P4 2 rot) nachgewiesen, auch hier auf dem bekannten Feld 7:

 

Und nun wird es „ganz verrückt“: Ebenfalls im Archiv von Frau Lange erscheint der Plattenfehler auf Feld 2:

Sie sehen, nach über 150 Jahren nach Erscheinen der ersten Hamburger Briefmarken gibt es immer noch Überraschungen! Vielleicht haben Sie, verehrter Leser, noch weitere Belegstücke zu diesem Thema? Über Ihre Zuschrift würde ich mich freuen!

Nachstehend hier der damalige Artikel von Wolfgang Jakubek aus dem Jahre 2002:

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (26): Ritzebüttel „revisited“ oder: Sachen gibt`s, die gibt`s gar nicht….

Einen umfassenden Überblick über die in der Hamburger Enklave „Ritzebüttel“ verwendeten Poststempel hatte ich bereits in meine „Aspekten zur Hamburger Postgeschichte (14) Das Amt Ritzebüttel“ zu geben versucht. Das dachte ich zumindest.

Aber wie soll man über etwas berichten, von dem man gar nicht weiß, dass es existiert?

So erging es mir jedenfalls mit dem in diesem Artikel gezeigten Brief. Ein Rahmenstempel RITZEBÜTTEL aus dem Jahre 1853. Er ist weder im Standardwerk von Dr. Meyer-Margreth [1] noch im Stempelhandbuch der Arbeitsgemeinschaft [2] abgebildet oder beschrieben.

Erst das genaue Studium des „Lenthe“ über die Poststempel von Hannover [3] brachte eine Erklärung:

„Ein ungewöhnlich großer Rahmenstempel von RITZEBÜTTEL, wo seit 1.Januar 1852 ein hannoversches, durch den dortigen hamburgischen Postbeamten mitverwaltetes Postbüro eingerichtet war, ist bisher nur in 2 Exemplaren vom März 1853 (einmal auf Marke 1ggr grün, einmal ohne Marke auf Brief) bekannt geworden, seine Herkunft ist nicht nachweisbar, Hamburg, dessen Stempel sich auch auf Hannover-Marken befinden, hat ihn bisher für sich nicht in Anspruch genommen.“

Hier nun der Stempel:

Ein blauer zweizeiliger Rahmenstempel (57x20mm), datiert RITZEBÜTTEL APR 1  auf einem Brief nach Kirchwärder im Bergedorfer Landbezirk (Vierlande). Vorderseitig mit dem Fußpoststempel, rücks. der Ovalstempel des Hamburger Stadtpostamtes, beide vom gleichen Datum (3.4.1853). Der Brief lief dann nach Bergedorf (roter Zweizeiler rückseitig), und der vorderseitige Rahmenstempel B.L.P.A. (Bergedorfer Landpostamt) bestätigt die Weiterbeförderung über Bergedorf hinaus.

Warum ist dieser Stempel so selten?

Eine mögliche Erklärung ist sicher, dass der Einkreisstempel von Ritzebüttel der – anfangs in schwarzer, später in blauer Stempelfarbe – über viele Jahre Verwendung fand, bereits ab Anfang April 1853 in Gebrauch gewesen sein muss. Im Stempelhandbuch der Arbeitsgemeinschaft [2] wird der 4.4.1853 als frühestens Datum genannt. Vielleicht ist der Rahmenstempel auch kaputt gegangen oder wurde – nach Einführung des Einkreisstempels – bestenfalls noch als Reservestempel verwendet.

Mehrere „Raritätsfaktoren“ kommen bei dem oben gezeigten Brief zusammen. Neben dem ohnehin raren Abgangsstempel noch die seltene Destination „Bergedorfer Landbezirk“ (und dazu noch an die Privatadresse von Pastor Lüders in Kirchwärder…). So soll dieser Brief, der aus der berühmten „Boker“-Sammlung stammt (und auch dessen handschriftliche Notizen rückseitig trägt), im Jahre 1989 bei Köhler in Wiesbaden zum Preis von 5.000 DM zugeschlagen worden sein, einem zur damaligen Zeit „riesigen“ Preis für einen vorphilatelistischen Brief…

 

[1] Meyer-Margreth, Dr.Ernst. Die Poststempel von Hamburg. Hamburg, 1965.

[2] Handbuch der Poststempel von Hamburg bis 1875. Hrsg. Arbeitsgemeinschaft für Postgeschichte und Philatelie Schles-Holstein, Hamburg und Lübeck e.V. Hamburg, 2004.

[3] Lenthe, A.von. Hannover, Postanstalten und Poststempel. Hannover, 1971.