Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (17) – Die Stader Stadtbotenpost

Die Stader Stadtbotenpost

In meiner Kolumne hatte ich Ihnen ja schon ausführlich das Hamburgische Amt „Ritzebüttel“ vorgestellt („Aspekte Nr. 14“). Ein weiteres spannendes Thema vom linken Elbufer ist die „Stader Stadtbotenpost“, die ebenso wie Ritzebüttel der Hamburger Postgeschichte hinzugerechnet werden muss. Und das nicht nur, weil die Stader seit früher Zeit mit Hamburg verbandelt waren – beide Städte gehörten der Hanse an -, sondern weil der Botendienst der Stader ausnahmslos Hamburg bediente und dort auch ein Kontor hatte.

Vielleicht sind Sie nicht aus Hamburg – dann kommen Ihnen Namen wie „Herrlichkeit“, „Kajen“ oder „Steinhoeft“ vermutlich nicht bekannt vor. Es sind alte Hamburger Straßennamen, die auch heute noch existieren.

Stadtspaziergang…

Hamburger Stadtpläne:

Die drei Straßennamen  sind jeweils gelb markiert. Heute ist das Gebiet durch mehrere Brücken und durch einige Vorbauten verändert, aber die Lage der drei Straßen zueinander ist immer noch gleich. Im Verlaufe von 40 Jahren im 19.Jahrhundert hatten die Stader Stadtboten ihre „Expedition“ (ihr Kontor würde man heute vielleicht sagen) nacheinander in den genannten drei Straßen.

Ein kurzer geschichtlicher Überblick:

Eine von den Kaufleuten eingerichtete Botenpost zwischen Stade und Hamburg ist in alten Urkunden seit dem 16.Jahrhundert belegt, sehr zum Leidwesen der Kurfürstlichen Regierung in Hannover, für die dieser besondere Dienst natürlich eine Konkurrenz zur bestehenden staatlichen Post (die über Horneburg-Harburg lief) war. So war der Transport auf Briefe, Geldsendungen und „kleine Packereien“ beschränkt. Der Bote fuhr wöchentlich zweimal, und zwar per Schiff von Twielenfleth. Nur bei Eisgang auf der Elbe war ihm der Transport über Land erlaubt, und „unterwegs“ noch andere Post anzunehmen, war ihm strengstens untersagt. Es gab immer wieder Streitereien mit der staatlichen Post, und erst um 1800 anerkannten die Hannoveraner den Stadtboten als „privilegierten Städteboten mit den Befugnissen der Postordnung von 1755“.   – „Nur soviel wie ein Pferd tragen kann“ – blieb allerdings die Maxime…

Die Stader Stadtbotenpost blieb bis zum Jahre 1868 bestehen; danach lohnte der Betrieb nicht mehr, da sich das Publikum immer mehr den staatlichen Diensten zuwandte. [1]

Nachstehend zeige ich Ihnen die Stempel, die im Zeitraum zwischen 1823 und 1855 in der Hamburger Expedition der Stader Stadtboten zum Einsatz kamen:

 

 

Obwohl diese Stempel über einen langen Zeitraum verwendet wurden, sind Belege davon selten zu finden. Das Handbuch der Arbeitsgemeinschaft hat gerade einmal 20 Stücke insgesamt registriert; es werden sicherlich einige mehr sein, aber Stempelraritäten sind es allemal.

Für die Beförderung von Geldsendungen oder Paketen musste der Stadtbote dem Absender eine Quittung ausstellen. Auch die Postscheine, die den Vordruck der „Stader Stadtboten Expedition“ zeigen, sind heutzutage nicht mehr häufig.

 

[1] Eine detailreiche Beschreibung findet sich im Stader Jahrbuch 1951: A. v.Lenthe. Von alten Botenposten in den Herzogtümern Bremen und Verden

 

 

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (16) – Zeitzeugen: Die Bombardierung von Kopenhagen.

Zeitzeuge sind sie eigentlich ja alle, die Briefe, die aus alten Zeiten erhalten sind und deren Inhalte über das Leben und Arbeiten vor 200 Jahren Auskunft geben. Der Brief, den ich heute vorstelle, ist aber außergewöhnlich. Er ist ein Zeitzeuge der

Bombardierung von Kopenhagen im September 1807.

Der geschichtliche Hintergrund: 

Dänemark war politisch mit Frankreich „verbandelt“. Die dänische Handelsflotte wurde von der britischen Marine auf ihren Routen behindert, woraufhin die dänische Regierung zum Schutz eine Bewaffnung der Schiffe vornahm. Das veranlasste die Britische Admiralität, präventiv (!) die Bombardierung Kopenhagens zu befehlen, um einen potentiellen Gegner auszuschalten. Die Bombardierung Kopenhagen erfolgte vom 2.-5.September 1807 und richtete erhebliche Schäden an: 30% der Stadtfläche von Kopenhagen wurden zerstört und ca. 2000 Tote waren zu beklagen. In der Folge wurde die Auslieferung der dänischen Flotte an England erzwungen und Kopenhagen wurde sechs Wochen von britischen Truppen besetzt.

Der Postverkehr zwischen Hamburg und Kopenhagen war bis Mitte Oktober 1807 unterbrochen. Es sind nur ganz wenige Briefe aus dem Zeitraum von Mitte August bis Mitte Oktober 1807 bekannt, die vermutlich in einem verschlossenen Umschlag per Handelsschiff, privat, oder, wie oben gezeigt, durch die Feldpost befördert wurden. Georg Mehrtens hat in seinem Vortrag in der Philatelistischen Bibliothek Hamburg im November 2021 die schwierigen Umstände zu der Zeit – anhand eines Beleges, der in umgekehrter Richtung lief – dargelegt.[1]

Nun zu dem außerordentlich interessanten Inhalt des Briefes:

 

Copenhagen, d. 12ten Septbr. 1807

Seit mein letzter Brief vom 16.August ist ahle Communication zwischen Seeland und den festen Landen abgeschnitten gewesen, so daß keiner selbst jetzt nicht hier weiß, was auf dem festen Lande geschehen.- Hier hat der Engländer als gewöhnlicher Seeräuber seine Rohle höllisch gespielt – die Stadt ist mit 8- 10 000 Bomben beschoßen und nach 4-tägiges Bombardement, nachdem 1/3 der Stadt gebrandt und hunderte Familien unglücklich geworden, hat der Commandant capitulirt und unsere ganze Dänische Flotte wird den Engländern übergeben, und nach 6 Wochen müßen die Engländer Seeland verlaßen – Der Däne träumte keinen Krieg als er von 30 000 Engländern überfallen wurden, die Dänen waren keine 3000 Mann. Wärend der Belagerung die vier Wochen dauerte, war jeder Bürger Soldat, auch ich war freywillig Vertheidiger meines Vaterlandes – von unser Corps welches 500 Mann stark war, sind 66 Thöden und Verwundeten -. Da der Abreise jetzt erlaubt ist, so ziehe ich nach Norwegen, und werde ahles bey dieser Confusion verusachten Zufahles zu Ihrer nötigen Zufriedenheit in Ordnung zu bringen…  

 

 

 

Ob nun in Norwegen das Leben leichter war, darüber kann man nur spekulieren. Jedenfalls war der Absender guten Willens, seine Geschäfte mit Schröder & Schyler zu regulieren…

 

[1] Georg D.Mehrtens. Einige Anmerkungen zum Postverkehr zwischen Frankreich und Skandinavien in den Kriegszeiten der Französischen Revolution von 1783-1813. Postverkehr über Hamburg nach Skandinavien in den Zeiten Napoleonischer Kriege. Philatelistische Bibliothek Hamburg, November 2021.

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (15) – Die Forwarding Agents

Eigentlich ist ein „Forwarding Agent“ ja ein Frachtführer, ein Spediteur im allgemeinen Sinne, der Güter aller Art von „A“ nach „B“ transportiert. Im philatelistischen Sprachgebrauch wird der Begriff aber in erster Linie für eine Person gebraucht, die Briefe und andere Postsachen befördert. Ich betrachte in der kleinen „Aspekte“-Artikelreihe ja die Hamburger Postgeschichte, und da bleibt festzuhalten, dass z.B. alle Briefe aus der frühesten (Corsini-)Handelskorrespondenz durch „Forwarder“ befördert wurden, oft genug ist der Name des Schiffskapitäns vorderseitig vermerkt u.a. Die „Merchants Adventurers Post“ folgte zwar Regeln, aber von einer regulären Post, wie sie die Fürsten von Thurn & Taxis organisierten, kann man im 16.Jahrhundert nicht sprechen.

Das Standardwerk zum Thema der Forwarding Agents stammt aus der Feder von Kenneth Rowe [1]. Er datiert die ersten „Signaturen“ von Forwardern auf die Zeit um 1740, und das ist auch die Zeit, wo er die frühesten Forwarding Agents in Hamburg registriert hat. Überhaupt war Hamburg als Drehscheibe zwischen Skandinavien und Osteuropa einerseits und dem westlichen und südlichen Kontinentaleuropa andererseits ein Zentrum, über das alle Kommunikationswege liefen und entsprechend hoch war hier die Zahl der Forwarding Agenten. Nach den Recherchen von K. Rowe waren in Hamburg an die 150 Firmen als Agenten tätig, nur in New York und in London gab es noch mehr. (Nur einmal zum Vergleich: Die Hanse- und Hafenstädte Bremen und Lübeck verzeichnen im Register von K. Rowe gerade einmal 32 bzw. 14 Unternehmen, die in diesem Geschäft tätig waren).

Jetzt können Sie einmal den Versuch machen, Belege von allen in Hamburg tätig gewesenen „Agents“ zu sammeln; das dürfte – auch wenn der einzelne Brief vielleicht gar nicht teuer ist – schwierig bis unmöglich, vielleicht am Ende sogar langweilig sein.

Ich stelle Ihnen hier ein paar typische und auch ausgefallene Exemplare vor. K. Rowe nennt verschiedene Gründe für die Einschaltung eines Forwarding Agenten. Ich beginne mit

1. Erreichbarkeit bzw. schlechte Anbindung an das Postsystem – und der damit verbundene Zeitfaktor.

Das waren oftmals Orte im Binnenland, die eine schnelle Verbindung zum einem Hafenplatz benötigten oder gar das gänzliche Fehlen einer (regulären) Postverbindung. Der früheste Brief aus meiner Sammlung stammt aus dem Jahre 1764. Danzig – Hamburg – Bordeaux; die Strecke ab Hamburg wurde durch die Kaiserliche Reichspost gut bedient, die Strecke von Danzig nach Hamburg organisierte der Forwarding Agent.

 

1857, ein Brief aus Cöln, adressiert nach „Carlshütte bei Rendsburg in Dänemark“, „Dänemark“ durchstrichen und durch „Holstein“ ersetzt; bis Hamburg privat befördert und dann durch die Firma Osenbrüg, Corty & Co., Hamburg der dänischen Post zur Weiterbeförderung übergeben. Vermutlich war hier die Einsparung von Kosten der Hauptgrund für die Einschaltung eines Forwarding Agenten, denn die Strecke Cöln-Hamburg „funktionierte“ postalisch ja gut.

 

 

 

 

2. Die Einsparung von Kosten bei der Beförderung. 

Insbesondere bei über den Seeweg ein- und ausgehender Post bedienten sich die Kaufleute gern eines Forwarding Agenten, indem sie mehrere Briefe in einem Umschlag an den Zielort sandten und der empfangene Forwarding Agent dann die Distribution der Briefe am Empfangsort organisierte.

1855: Ein Geschäftsbrief aus Liverpool, aus Portoersparnisgründen per Forwarder nach Hamburg und dort beim Dänischen Postamt aufgegeben und nach Kopenhagen befördert. Interessant ist die privat gezähnte 4 Skilling-Marke. Die Vermutung liegt nahe, dass der Versender in Hamburg viel Post abzuwickeln hatte und seinen Portobestand  mit einer Perforation versah, um das ganze „Handling“ zu vereinfachen!

3. Die Einschaltung von Forwarding Agenten in Zeiten von Krieg und Unruhen.

Auswirkungen des 1. dänischen Krieges: Am 27.4.1848 erfolgte die Einstellung aller direkten Postverbindungen mit Dänemark. Das dänische Oberpostamt in Hamburg wurde am 28.4. geschlossen. Die Post lief von Hamburg über Lauenburg nach Lübeck/Travemünde (oder auch nach Wismar, Stralsund, Stettin) und dann weiter per Schiff nach Dänemark.

4.Sonderfälle

1857, dies ist Diplomatenpost, aus den USA nach Berlin, adressiert an den Konsul der Vereinigten Staaten. Bis Hamburg per Schiff und dann von der Firma James McDonald & Co. dem preussischen Postamt in Hamburg zur Weiterbeförderung übergeben. (Der Konsul besaß Portofreiheit, die Briefgebühr von „3“ (Sgr.) wurde gestrichen!). Kenneth Rowe schreibt dazu: „United States Despatch Agents were employees of the US Department of State and handled the transfer and relocation…of the diplomatic mail bags. … In addition to diplomatic mail the despatch agents forwarded personal mail for U.S. civil or naval personnel stationed abroad. (…) They are listed as being located in London, Liverpool, Hamburg and Le Havre as early as 1844″.

Die Bedeutung Hamburgs und der hier ansässigen Forwarding Agents wird hier noch einmal sehr deutlich.

Einen weiteren Sonderfall – Zusammenwirken von Forwarding Agent und der Stadtpost – dokumentiert die nachstehend abgebildete 2-Schilling-Ganzsache von Hamburg:

Der Absender, die Firma Schörmer & Teichmann/Hamburg benutzte zum Versand eines Konossements einen 2 Schilling-Umschlag der Hamburger Stadtpost und versandte ihn am 14.12.1867 – unter Umgehung der Post – direkt per Schiff nach London; der Firmenstempel des Empfängers ist direkt daneben abgeschlagen.

Alle staatlichen Posten, und natürlich auch die Hamburger Staatspost, waren eigentlich überhaupt nicht „amused“, wenn Kaufleute (oder andere Personen) ihr staatliches Monopol umgingen und Briefe privat beförderten. Dies wurde zum Teil mit hohen Strafgeldern geahndet. Bei der regen Kommunikation der Hamburger Kaufmannschaft mit London hat man aber wahrscheinlich gedacht, besser mit 2 Schilling „in der Partie“ zu sein, als bei einer „heimlichen“ (und wohl auch kaum kontrollierbaren) Übergabe der Post direkt aufs Schiff völlig leer auszugehen.  Jedenfalls wurde das Verfahren in einer Bekanntmachung vom 16.9.1866 ganz offiziell geregelt:

 

 

 

 

 

 

 

 

„…zur Erleichterung des Verkehrs sollen indessen für die Zukunft Briefe…von den Absendern unmittelbar den Schiffs-Capitainen übergeben und von diesen mitgenommen werden dürfen, wenn die Briefe (Connoissements) in Post-Couverts à 2 ß [Schilling] gelegt und letztere nicht nur mit vollständiger Adresse, sondern neben den Werthzeichen auch mit dem Namen des Absenders und dem Namen der Absendung versehen sind….“

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier wird also der Sonderfall dokumentiert, bei dem die private Postbeförderung durch einen Forwarding Agenten (oder sagen wir jetzt besser „Spediteur“..) staatlich sanktioniert wurde. Von solchen Umschlägen sind nur wenige erhalten geblieben; das gezeigte Verfahren war aber auch nur von Mitte September 1866 bis zum Ende der Hamburger Stadtpost am 31.12.1867 möglich.

Die große Zeit der Forwarding Agents  ging um 1860, mit den immer besser werdenden Kommunikationsmöglichkeiten (schnellere Transportwege, günstigere Posttarife usw.) langsam zu Ende. Wenn Sie alte Hamburg-Briefe genau ansehen, werden Sie oftmals – meist handschriftliche – Vermerke finden, die auf eine Expedierung außerhalb des oder der staatlichen Postsysteme hinweisen. An dieser Stelle wollte ich nur einige typische Beispiele vorstellen, vielleicht aber haben auch Sie Spaß am Suchen – „Happy hunting“!

 

[1] Rowe, Kenneth. The Postal History of the Forwarding Agents. Louisville,Kentucky, 1984.