Nun war es also soweit: Am 1.Januar 1859 erschienen die ersten Freimarken, und es waren gleich 7 (sieben) verschiedene Wertstufen. Das war (und blieb) bei den Deutschen Staaten einmalig, denn kein altdeutscher Staat hatte es bisher auf mehr als sechs verschiedene Wertstufen gebracht. In der schon im vorigen Kapitel zitierten Bekanntmachung der Postverwaltungsdeputation vom 27.Dezember 1858 wird genau aufgeführt, welche „Sorten“ es gab, welche Farbe diese haben und für welche Zwecke die einzelnen Werte zu gebrauchen waren. Die Bekanntmachung ist vollständig auf dieser Webseite hinterlegt; wer die Muße hat, sollte sich die einzelnen Bestimmungen einmal durchlesen.
Zunächst einmal: alle Freimarken wurden ohne Perforation gedruckt, was die Postabfertigung nicht unbedingt beschleunigt haben dürfte, und die Mindestabnahme betrug 8 Stück pro Sorte, nämlich eine komplette horizontale Reihe.
Durch Zufall – und Übereinkunft – zur „Nummer 1“ in allen Katalogen wurde die kleinste Wertstufe zu 1/2 Schilling, schwarzer Druck. Zu verwenden war sie nur für die Frankierung von Zeitungen und Drucksachen; selbst die Brieftaxe für Ortsbriefe betrug 1 Schilling, und das noch bis zum Jahre 1865, bevor das Stadtbriefporto auf 1/2 Schilling abgesenkt wurde. Da die Hamburgischen Marken nie ungültig wurden, wäre natürlich die Verwendung als Ortsporto nach dem 1.1.1865 möglich gewesen, aber zu dem Zeitpunkt war ja schon die zweite, die gezähnte Ausgabe erschienen.
Der nebengesetzte Schmetterlingsstempel vom 2.Juli 1860 dokumentiert die zeitrechte Verwendung als Drucksachenfrankatur. Das Stück stammt aus der berühmten „Traber“-Sammlung.
Und damit geht es schon zur nächsten Wertstufe, der Marke zu 1 Schilling braun. Dieser Wert wurde zum größten Teil im Ortsverkehr gebraucht, und die Vorräte wurden auch aufgebraucht, denn größere ungebrauchte Restbestände sind nicht erhalten geblieben.
Es gibt einige verschiedene Stempel, die auf der 1 Schilling-Marke zu finden sind:
Der erste Strichstempel war 57mm lang und ist eigentlich nur auf Briefen oder großen Briefstücken einmal komplett zu sehen:
Bei dem rechten Brief erwähnt das Attest bei der linken Marke eine kleine Druckzufälligkeit: „kleiner Punkt oben am M von HAMBURG“:
Die beiden anderen hier gezeigten Marken zeigen den Plattenfehler „Mi.Nr. 2 I“ . Kann sich aus der Druckzufälligkeit der Plattenfehler entwickelt haben? Über das Thema „Abarten“ beim Sammelgebiet Hamburg wird noch zu sprechen sein…
Zum Abschluss des Kapitels „1 Schilling“ noch etwas ganz Feines: Darstellung des 7-Schilling-Portos nach England durch 1x 1 plus 2x 3 Schilling. Buntfrankaturen der ersten Markenausgabe sind sehr selten; das „Publikum“ war angehalten, möglichst „passend“ zu frankieren, und der 7 Schilling-Wert war ja eigentlich vorhanden!
Jetzt geht die Post ab nach Lübeck!
Der 2-Schilling-Wert war für den Tarif nach Lübeck verausgabt worden.
…und von Lübeck nach Bremen. 3 Schilling war der Tarif dorthin, und erstaunlicherweise nur 6 Schilling nach New York, wenn denn der Brief direkt von Hamburg per Dampfboot befördert wurde.
Die Wertstufe zu 4 Schilling gibt es in zwei Farbnuancen: „gelbgrün“ und „bläulichgrün“. (Der „Michel“-Katalog macht es wissenschaftlich-komplizierter und bezeichnet die Farben als „dunkelgelblichgrün“ und „(dunkel)grünoliv“; das mag nun jeder seinem Gusto handhaben, ich bleibe bei den altbekannten Farbbezeichnungen, die jahrzehntelang in allen Attesten Gültigkeit hatten…)
Der 4-Schilling-Wert der 1859er Ausgabe auf Brief ist meiner Meinung nach das „Pièce de Résistance“, eben weil die Verwendungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt und das Postaufkommen nach Helgoland und nach Oldenburg nicht eben sehr hoch waren. Der 9-Schilling-Wert, zu dem wir gleich kommen, notiert in den gängigen Katalogen zwar ebenso hoch, ist aber deutlich häufiger anzutreffen.
7 Schilling war das Porto u.a. nach Amsterdam und nach London, nach Großbritannien allerdings erst ab dem 1.7.1859 (vorher kostete es 9 Schilling). Hamburg – London, das war seit Jahrhunderten eine „innige“ Beziehung; Kaufmannsbriefe zwischen beiden Städten beginnen mit den „Corsini“-Korrespondenzen. Ich habe diese schon in den „Aspekten zur Hamburger Postgeschichte Teil (1)“ ausführlich beschrieben. Mit Marken frankierte Briefe sind keine Raritäten, aber in ordentlicher Erhaltung kann man manchmal etwas länger suchen.
Last but not least – die Wertstufe zu 9 Schilling. Die wurde im ersten Halbjahr 1859 für die Korrespondenz nach England gebraucht, danach finden wir sie nur noch auf Übersee-Briefen. Es gibt von der Marke eine frühe Auflage, gedruckt in hellem Gelb, die späteren Ausgaben gehen in gelb-orange Farbtöne über. Diese Farbunterschiede sind seit langem bekannt, eine Unterscheidung in den Katalogen findet bei diesem Wert (im Gegensatz zur 4-Schilling-Marke, s.o.) nicht statt.
Ich mag diesen Brief aus einem besonderen Grund. Er stammt aus der berühmten „Berkefeld/Mesters“- Korrespondenz. Die meisten dieser Briefe wurden in der Anschrift verändert, und zwar überschrieb man „Berkefeld“ in „Wüstenkopf“. Das war Datenschutz in analoger Form, und vielleicht wollte man auch die Herkunft verschleiern… Hier ist ein Brief in ursprünglicher Form, taufrisch und über 100 Jahre vor Sonne geschützt in einem Archiv verwahrt.
Und wenn Sie mir bis hierher gefolgt sind, haben Sie „Hamburg komplett bis 1863“ gesehen. Dann kam im Jahre 1864 die Post nach Schleswig-Holstein und Dänemark dazu, die vom Stadtpostamt bewältigt werden musste, und die Postautomatisation in Form von perforierten (gezähnten) Marken nahm auch in Hamburg ihren Lauf.