Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (25) – Ein „neuer“ Stempel des Hannoverschen Postamtes !?

„6“ ggr.v.d.St.P.

Einen solchen Stempel hatte ich noch nie gesehen. Ein wundervoll klarer Abschlag auf einem Brief aus dem Jahre 1835 von London nach Swinemünde im damaligen Preußen, handschriftlich „6“ eingefügt. Der Brief sollte per Schiff nach Hamburg befördert werden, er zeigt auf der Rückseite den Eingang beim Stadtpostamt und vorderseitig den Abgangsstempel HAMBURG/31.AUG. des preußischen Postamtes. Die Taxierung „P 1/8“ in roter Tinte rechts oben zeigt an, dass der Brief vom Absender als Schiffsbrief freigemacht war („P(aid) 1s./8d.“). In Tinte taxiert „10 3/4“, das waren Silbergroschen, die der Empfänger zu zahlen hatte, nämlich 9 Hamburger Schilling (= ca. 6 3/4 Sgr.) plus 4 Sgr. für den preußischen Anteil.

Ein wunderbarer Brief, werden Sie sagen – alles klar, wenn da nicht der Stempel links oben wäre. „Sechs Gute Groschen von der Stadt-Post“, das hat sich ganz offensichtlich das Hannoversche Postamt vergüten lassen. Die Stempeltype weist eindeutig auf Hannover hin, und die Beschreibung im Auktionskatalog versucht zu deuten: „Vermutlich musste der Brief wegen der zu dieser Zeit grassierenden Cholera-Epidemie von Ritzebüttel über Stade (…) mit der hannoverschen Post (statt üblicherweise mit der Stadtpost) befördert werden (…)“. Das ist eine sehr „ambitionierte“ Interpretation.

Die Cholera-Epidemie grassierte vier Jahre früher, wir kennen das Jahr 1831 als DAS Seuchen-Jahr. Ich glaube daher nicht so recht an diese Erklärung. Möglich wäre immerhin, dass sich die hannoversche Post in Ritzebüttel (Cuxhaven) des Briefbeutels bemächtigt hatte, die vom Londoner Postamt an das Hamburger Stadtpostamt adressiert war. Ähnliche „Freibeuterei“ gab es oftmals mit bremischer Post, zudem wurde die Post in Ritzebüttel für Hamburg und Hannover in Personalunion abgefertigt. Den umtriebigen Postmeister Oelkers habe ich Ihnen bereits in meinen „Aspekten (14) – das Amt Ritzebüttel“ vorgestellt. Die hannoversche Post wollte eben auch am Transport verdienen und verhielt sich oft „übergriffig“. In Chr. Piefkes Werk über die Bremische Landespost werden einige solcher Begebenheiten zitiert. [1] 

Der Vergütungs-Stempel auf dem oben gezeigten Brief darf als Unikat bezeichnet werden – eine erstaunliche Entdeckung nach immerhin fast 200 Jahren! Er ist zudem, wie es in der Auktionsbeschreibung heißt „..der einzig uns bekannte Vergütungsstempel aus dem gesamten Bereich der deutschen Vorphilatelie“. Dennoch bleiben Fragen offen.

Was den Brief zudem einmalig macht, ist sein Absender – es war der berühmte Polarforscher John Ross. Adressiert ist der Brief an den britischen Generalkonsul E.A.Krause in Swinemünde. John Ross hatte im Jahre 1835 zwei Expeditionen zum Auffinden der Nordwestpassage hinter sich und hielt zu der Zeit Vorträge bei verschiedenen „Geographischen Gesellschaften“ in London, Dublin u.a. Wer mehr zu John Ross erfahren möchte, kann dies komprimiert bei Wikipedia nachlesen. Ein bemerkenswertes Denkmal setzt ihm u.a. auch Sir Michael Palin („Monty Python“)  in seinem Werk „Erebus“, in dem es um die Suche nach der Franklin-Expedition geht.[2]

Hier der vollständige Inhalt des Briefes an den Britischen Generalkonsul:

Selten trifft das Attribut „spannend“ so zu wie auf diesen Brief!

 

[1] Chr.Piefke. Geschichte der Bremischen Landespost. 1947. S.74-77 u.a.

[2] Michael Palin. EREBUS. Ein Schiff, zwei Fahrten und das weltweit größte Rätsel auf See. London, 2018.