Philatelistische Ephemera

Vor ein paar Jahren erschien in einem unserer Auktionskataloge (338.Schwanke-Auktion, 20.November 2012) dieses „Promotional“ für die oftmals dekorativen und künstlerisch hervorragend gestalteten Exlibris, die wir in etlichen Werken Philatelistischer Literatur gefunden hatten. Die Resonanz war beachtlich; viele bibliophile Sammler aus aller Welt freuten sich darüber, dass dieses in früheren Zeiten viel beachtete Sujet wieder einmal aufgegriffen wurde. Über unseren Freund  Frank Arthur Bellamy, dessen Exlibris-Stempel Sie in der Collage oben in der rechten unteren Ecke sehen, habe ich in meinem Bulletin ja schon an anderer Stelle berichtet. (Frank Arthur Bellamy und seine Philatelistische Bibliothek – Schwanke Philatelie (schwanke-philatelie.de)

Nun sah ich kürzlich in der Philatelistischen Bibliothek Hamburg – dargeboten in einer gut gesicherten Vitrine, die noch weitere alte „Schätze“ enthält – zwei mir bis dato unbekannte philatelistische Exlibris, die ich Ihnen vorstellen möchte. 

Das Exlibris von John K(err) Tiffany (1842-1897)

„Philatelical Library Collected by John K. Tiffany“, in der Mitte die Bären von St. Louis.

John K. Tiffany (1842-1897) lebte und arbeitete als Ingenieur in St.Louis, Missouri. Sein Hobby: Die Philatelie.

Tiffany war in den 1880er und 1890er Jahren einer der bekanntesten Sammler in den USA. Im gelang es u.a., die „Bären von St.Louis“, eine der seltensten und teuersten Postmeisterausgaben, zu plattieren! Bücherfreunde wissen, dass er  – neben Briefmarken – alles sammelte, was über Briefmarken zu der Zeit in gedruckter Form erschienen war und laufend erschien. Als er im Jahre 1897 starb, hinterließ er die damals größte Philatelistische Bibliothek der Welt.

Diese wurde an den Earl of Crawford verkauft, der sie wiederum dem Britischen Museum vermachte. In der British Library ist diese Bibliothek heute zu bestaunen.

Obwohl die „Bären“ in jedem Buch aus Tiffany`s Bestand klebten, sieht man dieses Exlibris in Deutschland nur sehr selten. Sie müssen vermutlich nach London in die British Library fahren, um ein weiteres im Original zu sehen!

Und nun kommt ein Zeitsprung ….. aus den letzten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts in die Zeit nach 1945:

Wer war A(lfred) Goldammer ?

Sehen Sie sich die sehr feine Ausarbeitung dieses Exlibris an (mit den kleinen Goldammern links und rechts in den Zweigen!), und Sie werden sofort erkennen, dass hier ein künstlerisch sehr begabter Mensch am Werk war.

Wie (fast) immer, wird man in solchen Fällen bei Wikipedia fündig. Wolfgang Schneider stellt in seiner Arbeit „Deutschlands Briefmarkenkünstler“ den Graphiker und Maler Alfred Goldammer vor.

Geboren im Jahre 1891, kam Alfred Goldammer im Jahre 1917 als graphischer Zeichner zur Reichsdruckerei, wo er mit Entwürfen für Banknoten begann und später auch an der Gestaltung von Briefmarken arbeitete. Bereits in den Jahren 1938-39 erschienen Briefmarken von ihm, aber seine große Schaffensperiode, die wir als Briefmarkensammler wahrnehmen, kam in den 1950er Jahren, als er – nunmehr in der Bundesdruckerei in Berlin angestellt – viele Briefmarken für die Landespostdirektion Berlin entwarf, darunter u.a. die Berliner Bautenserie (Mi.Nr. 42-60), die Ausgabe für die  Währungsgeschädigten (Mi.Nr. 68-70, Block 1) oder die Gedächtniskirchen-Serie (Mi.Nr. 106-09).

Alfred Goldammer arbeitete bis zu seiner Pensionierung bei der Bundesdruckerei Berlin. Er starb im Jahre 1971.

Nachzulesen ist dies alles unter folgender Webadresse: www.bund-forum.de • Thema anzeigen – Goldammer, Alfred

Das Exlibris von Alfred Goldammer, das Sie in der Philatelistischen Bibliothek Hamburg bewundern können, ist ein hochfeiner Abzug vom Stahloriginal, auf schwerem Büttenkarton, und in seiner Form sicherlich einmalig. Ob diese Vorlage für einen (nachfolgenden) Druck von Goldammers Exlibris zur Ausführung kam, ist mir nicht bekannt.

In Zeiten, wo Bücher Massenware sind, stellen Exlibris in der oben beschriebenen Form heute eher eine Ausnahme dar. Vielleicht findet man noch hin und wieder Exlibris eingedruckt oder eingestempelt. Die kleinen Klebezettel sind  „by-gones“ aus vergangenen Jahrzehnten (oder sogar Jahrhunderten).

Wenn Ihnen einmal ein ähnlich dekoratives Stück in einem Ihrer philatelistischen Bücher „über den Weg läuft“, schreiben Sie mir doch einmal!

  

 

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (14) – Das Amt Ritzebüttel

Das Hamburger Amt Ritzebüttel – ein postgeschichtlicher Überblick von 1799 bis 1867.

Die beiden netten Damen, die im Museum des heutigen „Bürgerschlosses“ arbeiten, haben auf ihren Heimatort Ritzebüttel verständlicherweise eine ganz andere Sicht als wir Hamburger, die – mitten in der Corona-Zeit im April 2021 – dort einen Besuchstermin bekamen. „Ritzebüttel ist die Keimzelle und das [geistige] Zentrum von Cuxhaven“, einer lebendigen, modernen Stadt an der Mündung der Elbe, die sich heute als Zentrum einer touristischen Region versteht, mit Badestränden, Schiffstouren zu Seehundsbänken, Wattfahrten nach Neuwerk und dem Ausgangspunkt der Schiffsverbindung nach Helgoland.

Das Ritzebütteler Schloss war vor 500 Jahre kein „Schloss“ in dem Sinne, wie wir es heute vielleicht verstehen, es war eher das Zentrum einer Wehranlage, mit einem anständigen Burggraben und Kanonen auf den Wällen, bereit, Hamburger Interessen gegen allerlei Begehrlichkeiten fremder Mächte (z.B. der Engländer oder der Dänen) zu verteidigen.

Heute heißt es „Bürgerschloss Ritzebüttel“, und dort finden Veranstaltungen wie Tagungen oder Kunstausstellungen statt, man kann dort auch heiraten oder eine andere Familienfeier veranstalten. Der „museale“ Bereich ist klein, im Grunde besteht er aus dem Gebäude selbst, das in seiner äußeren Form seit über 300 Jahren unverändert ist; das aufwändig restaurierte Innere beherbergt nur wenige Artefakte aus der Zeit der Hamburger Amtmänner, die dort immerhin fast 500 Jahre lang das Sagen hatten.

Das Amt Ritzebüttel wurde bereits im 14.Jahrhundert eine Hamburger Exklave und blieb dies bis zum „Groß-Hamburg-Gesetz“ aus dem Jahre 1937, als Hamburg dieses Gebiet mit „umliegenden“ Stadtteilen wie Altona und Wandsbek tauschte. Welche strategische Bedeutung dieser Außenposten an der Elbmündung für Hamburg hatte, habe ich schon in meinem Artikel „Aspekte…(9) – Der elektromagnetische Telegraph und das preußisch-österreichische Seegeschwader“ beschrieben. Welche postalischen Spuren Ritzebüttel hinterlassen hat, möchte ich gern hier aufzeigen.

Die Hamburger Amtmänner – eine Gedenktafel mit allen jemals tätigen Herren hängt im Museum – waren „kleine Könige“.  Sie konnten und mussten alle Entscheidungen für die Stadt Hamburg allein treffen; dazu gehörte die Überwachung der Wehrhaftigkeit der Schlossanlage, die Rechtsprechung (bis zur Einführung der Gewaltenteilung im Jahre 1864), die Beobachtung und Überwachung des Schiffsverkehrs u.a. Es waren Senatoren oder hochgestellte Persönlichkeiten der Hamburger Politik, die das Amt meist für sechs Jahre ausübten, und die sich praktisch in der „Diaspora“ ihre Meriten verdienen sollten. Viele Namen Ritzebütteler Amtmänner finden wir später als Bürgermeister von Hamburg wieder.

Eine Postverbindung nach Hamburg bestand alten Quellen zufolge seit ca. 1740. Eine Reise nach Hamburg dauerte 3 Tage, die reitende Post war sicherlich schneller; erst ab 1848 gab es eine Telegraphenverbindung. Meine frühesten Briefe aus Ritzebüttel stammen aus der Zeit 1799-1800. Einen Poststempel gab es nicht, der Aufgabeort wurde handschriftlich notiert.

 

Bei dem rechts gezeigten Brief handelt es sich um Schreiben des damaligen Amtmannes Johann Arnold Heise („J.A.Heise“) an den „Hochwohlgeborenen Herrn Syndikus“ der Stadt Hamburg. J.A.Heise war von 1794 bis 1803 Amtmann in Ritzebüttel, später, ab 1807, Hamburger Bürgermeister.

Auch aus den ersten Jahren des 19.Jahrhunderts sind philatelistische Spuren selten. Erhalten gebliebene Dokumente haben meist militärischen Inhalt. In dem nachfolgend gezeigten Schreiben aus „Cuxhaven, den 31. Januar 1810“ fordert der Kommandant des „Königlich Westphälischen Artillerie-Regiments“ fünfzig Arbeiter aus Neuhaus an, die bei den Arbeiten an den Befestigungsanlagen helfen mussten.

Nach der Besetzung durch die Franzosen und der Errichtung des Départements „Bouches d`Elbe“ wurde am 1.Oktober 1810 ein französisches Postamt eröffnet. Der zweizeilige Departementstempel „128/RITZBÜTTEL“ war in Gebrauch. Die Militärbriefe waren natürlich portofrei; es musste aber der Vermerk „Service Militaire“ und ein entsprechender Franchise-Vermerk angebracht werden:

Und noch ein Brief aus der „Franzosenzeit“: Ovalstempel COMMANDEMENT DE RITZEBÜTTEL ET CUXHAVEN. Die beiden Ortsbezeichnungen wurden nebeneinander gebraucht, obwohl der Zusammenschluss der Ortsteile offiziell erst im Jahre 1872 erfolgte.

Ende der 1820er Jahre kam ein zweizeiliger Stempel in Gebrauch, der in zwei unterschiedlichen Längen (43 und 52mm Länge) bekannt ist. Ob diese Stempel nebeneinander gebraucht wurden, oder ob der „kleine“ Stempel praktisch als „Reservestempel“ später wieder benutzt wurde, ist mir nicht bekannt. Zwischendurch gab es dann auch eine handschriftliche Entwertung, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen – die zeitliche Abfolge ist interessant:

Dieser Brief datiert aus dem Jahr 1842 und zeigt einen Langstempel RITZEBÜTTEL mit zusätzlicher handschriftlicher Datumsaufgabe und lief über das hannoversche Otterndorf nach Oldenburg. Geschrieben wurde der Brief in „Altenwalde“, einer Ortschaft, die auf hannoverschem Territorium liegt, praktisch an der Grenze zum hamburgischen Amt Ritzebüttel (s. die Übersichtskarte oben). In Ritzebüttel gab es zu der Zeit noch kein hannoversches Postamt, aber der Hamburger Postamtmann Oelkers hat sicher auch die hannoverschen Interessen mit vertreten … Eine spannende Geschichte, und auch wenn der Brief sein Alter zeigt, ist er es sicher wert, hier gezeigt zu werden.

Cholerastempel

Jetzt haben Sie schon einige der Hamburger Amtmänner kennengelernt, zumindest als Absender einiger Dienstbriefe… Eine ihrer wichtigen Aufgaben war es auch, Post von Schiffen, die aus Seuchengebieten kamen, zu desinfizieren. Um dies amtlich zu bestätigen, hatten die Amtmänner spezielle „Quarantäne-Siegel“, die personalisiert waren.  Ein paar Beispiele:

Dies ist der einzig mir bekannte Brief, der die Desinfizierung von aus Hamburg ausgehender Post belegt. Im Cholerajahr 1831 von Bremen vermutlich über die hannoversche Postroute nach Ritzebüttel gelaufen, dort vom Amtmann Hartung behandelt. Die Choleraschlitze und die Bräunung vom Essigwasser sind erst bei der zweiten Desinfizierung in Queensborough entstanden.

Was denn nun – „Ritzebüttel“ oder „Cuxhaven“ (?), so könnte man fragen. Beide Ortsbezeichnungen wurden ja nebeneinander verwendet. „Ritzebüttel“ stand für den

Verwaltungsbezirk, „Cuxhaven“ war nur das Hafengebiet. Im Jahre 1841 gab es eine neue Vereinbarung zur Postverbindung zwischen Großbritannien und dem Hamburger Stadtpostamt, und wenn die Tarife „angepasst“ wurden, bedeutete dies nicht wie heute eine automatische Verteuerung – das Gegenteil war der Fall. Das Postaufkommen stieg, und die Tarife wurden gesenkt. Auch Bremen profitierte davon und konnte nach London bestimmte Post über die – von Hannover betriebene – Postroute Bremen-Cuxhaven transportieren. Eine lesenswerte Beschreibung der alten Postroute finden Sie z.B. auf wikipedia . Heute kann man auf dem weitgehend wiederhergestellten Postweg sehr gut mit dem Fahrrad unterwegs sein. Für die Abfertigungsstelle in Cuxhaven gab es einen speziellen Stempel:

Dieser einzeilige Stempel ist nicht häufig. Ich habe ihn nur auf Post aus Bremen gefunden und vermute, dass die von dort kommende Post (die ja eine „hannöversche“ war) gleich zur Abfertigungsstelle am Hafen ging. Die Leitung der Poststelle hatte Postmeister J.W.Oelkers [er war der zweite „Oelkers“ aus der Postmeister-Dynastie der Oelkers, die die Postmeister-Stelle über 80 Jahre lang fast ununterbrochen innehatte], den wir auch auf nachfolgendem Postschein finden – der Vordruck ist hier wieder „Ritzebüttel…Hamburgisches Post=Comptoir“ – die „Multitask-Fähigkeit“ der Postmeister unter Beweis stellend…:

Ab dem Jahre 1854 kam der Einkreisstempel in Gebrauch.

In der Form anderer Hamburger Vorortsstempel wurde ab 1850 (?) dieser kleine Rahmenstempel benutzt:

Dieser Stempel soll bis zum Jahre 1867 in Gebrauch gewesen sein. Es ist selten, und ich habe ihn auf ganzen Belegen sonst nur nachverwendet, also aus der Zeit nach 1867, gesehen.

Das Porto von Hamburg nach Ritzebüttel betrug 2 Schilling, in umgekehrter Richtung natürlich ebenso. Ab 1859 wurde mit Marken frankiert und neben dem oben gezeigten Einkreisstempel kommt jetzt der „Ritzebütteler Wellenstempel“ zum Einsatz. Eine Besonderheit dieses Wellenstempels ist, dass er meist als Vorausentwertung diente, einem Mittel der „Postautomatisation“, das Hannover an vielen Orten einsetzte, eben auch in Ritzebüttel (siehe unten!). Die Hamburger haben sich das garantiert abgeguckt, denn andere Vorausentwertungen von Hamburg gibt es nicht.

Die „Schuchmacher“-Korrespondenz. Fräulein Elise wohnte an der Alster, Herr Otto Schuchmacher in Ritzebüttel. Aus dieser Korrespondenz sind zum Glück einige Belege erhalten geblieben.

„Zwischendurch“ ein Brief nach Groden. Wie Sie auf den Landkartenausschnitten oben sehen können, liegt Groden im Amtsbezirk von Ritzebüttel, also auf Hamburger Gebiet. Briefe dorthin liefen folglich über das Hamburger Stadtpostamt und wurden mit Hamburger Marken frankiert (während z.B. ein Brief in das nur 5km entfernte Altenbruch beim Hannoverschen Postamt in Hamburg hätte aufgegeben werden müssen!). Groden hatte im Jahre 1866 kein eigenes Postamt, der Brief ging nach Ritzebüttel und wurde von dort zum Empfänger befördert.

Dieser Brief wurde zu der Zeit, als Hannover bereits von Preußen annektiert war, in Hamburg in den Briefkasten geworfen. Das Stadtpostamt übergab ihn dem preußischen Postamt, das den Doppelkreisstempel danebensetzt und die Beförderung nach Altenbruch vornahm. Das Porto wäre korrekt 1 Silbergroschen oder 1 1/3 Hamburger Schillinge gewesen; eine 1 1/3 Sch.-Marke gab es aber nicht und der Absender hat dann zur 1 1/4 Schilling-Marke noch 2x 1/2 Schilling dazugeklebt. Interessant ist auch der vorderseitige – gestrichene – Vermerk „durch Güte“. Vermutlich hatte der Absender gehofft, einen (preiswerten) Spediteur zu finden …

Nachtaxiert wurden „3/4“ (Sgr. = 1 Schilling). Die „8 pfg.) Bestellgeld war eine Erfindung des hannoverschen Postmeisters Oelckers, über den es viele Klagen gab. Hamburg hat nie Bestellgeld erhoben.

 Welche Postwertzeichen-Wertstufen waren in Ritzebüttel am Postschalter zu haben? Ich kann Ihnen nur Frankaturen mit der 1/2, der 1 und 2 Schilling-Marke vorstellen, von der Wertstufe zu 4 Schilling kenne ich nur eine lose Marke. Auch die 2-Schilling-Ganzsachen hat es gegeben, und zwar mit und ohne Wasserzeichen. Beide Sorten wurden nebeneinander verwendet,

Seit dem 1.Januar 1852 bestand in Ritzebüttel neben der Hamburger Post auch eine Hannöversche Postexpedition. Diese wurde vom Hamburger Postbeamten mit verwaltet. Die offizielle Bekanntgabe erfolgte in Hannover am 30.Dezember 1851:

1852 – Hannover hatte ja schon Briefmarken verausgabt… 

Die mit Hannover-Marken frankierte Post ging auch in andere Postgebiete:

Die „Zuständigkeiten“ der Hamburger und der Hannoverschen Post vermischten sich ganz offensichtlich. Für die Post nach London wäre das Hamburger Stadtpostamt zuständig gewesen. Der links gezeigte Brief wurde in „Cuxhaven“ – in englischer Sprache – geschrieben und ging  direkt aufs Schiff. Frankiert mit einer vorausentwerteten 1/10 Thaler-Marke von Hannover!

Das Hannoversche Postamt war eigentlich auch nicht zuständig für Post ins Thurn & Taxis`sche Postgebiet oder nach Preußen (2. und 3.Brief). Wie dies gehandhabt wurde oder wie eine Gebührenverrechnung stattfand, weiß ich nicht. Beide Briefe haben rückseitig keine Stempel des hamburgischen TT- bzw. preußischen Postamtes, sind also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht über Hamburg gelaufen.

Vorausentwertungen waren in Ritzebüttel an der Tagesordnung. Aber auch der Einkreisstempel fand Verwendung. Ein paar Beispiele für Post in das „richtige“ Postgebiet:

Ein seltener Taxstempel. Die Vortaxe eines inländischen Portobriefes, die 1,5 Groschen bedeutete und vom Empfänger zu zahlen war:

Als Hannover durch Preußen besetzt wurde, ging auch das Postwesen am 1.10.1866 in preußische Hände über. Folglich wurden auch im Amt Ritzebüttel preußische Marken verwendet. Belege aus dem kurzem Zeitraum bis Ende 1867 sind selten. Gewisse leichte Qualitätseinschränkungen muss man wohl tolerieren.

Mit dem 31.12.1867 endete nicht nur die preußische Post in der hannöverschen Abteilung des Hamburger Amtes Ritzebüttel, sondern ebenso die Hamburger Post. Einige Stempel wurden weiterverwendet, wir finden sie auf Marken des Norddeutschen Postbezirks und des Deutschen Reiches, und es gibt dort viel Seltenes. Doch das soll ein späteres Thema sein.

 

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (13): „Billwärder – bey der grünen Brücke“ – Die ersten Fußpoststempel der Hamburger Stadtpost

„Billwärder – bey der grünen Brücke“ – Die Hamburger Fußpost

Der Brief, den ich Ihnen vorstelle, fällt durch einen besonders sauberen Stempelabdruck der Hamburger Fußbotenpost auf, „Die verschnörkelten Buchstaben „FP“ im Kreis“.

Die Fußpost in Hamburg war eine Institution, die von 1796 bis 1834 eigenständig existierte, danach im Rahmen der staatlichen Hamburger Post bis 1864, also immerhin fast 70 Jahre lang, und dennoch sind von den frühen Stempeln, die bis etwa 1835 in Gebrauch waren, nur recht wenige Stücke erhalten geblieben.

Der Brief kam aus London, der Absender notierte „Craigs Court, 4.Januar 1822“ (Craigs Court ist eine kleine Sackgasse in der Nähe des Trafalgar Squares und war zu der Zeit, als dieser Brief geschrieben wurde, durch seine Nähe zum Königlichen Palast, eine sehr feine Adresse!). Der Brief wurde als Kapitänsbrief nach Hamburg befördert und dann dort dem Stadtpostamt zur weiteren Beförderung übergeben.

Adressiert ist der Brief an einen „Capt. Jones …..Hamburgh“, was wohl für den Fußboten nicht ganz ausreichte, denn in einer anderen Handschrift wurde hinzugefügt „Billwärder“ und – links unten – „bey der grünen Brücke“.

Am 14.Januar hat Capt. Jones den Brief erhalten und dies vorn auf der rechten Seite des Briefes notiert. Die Nachrichten aus England waren sicher nicht beruhigend, wie der Captain auf der Rückseite in einer kurzen inhaltlichen  Zusammenfassung notiert: „ From Mr. Greenwood streneously urgeing to return to England…“

Auf der Vorderseite des Briefes ist links oben mit Rötelstift die Taxierung „2“ angebracht, das waren 2 Schilling – die doppelte Rate (des normalen „innerörtlichen“ Tarifes von 1 Schilling) für die Bestellung im Landbezirk.

Im Jahre 1822 war Billwärder, wenn auch gar nicht weit von der Hamburger Innenstadt und vom Hafen entfernt, eine ländliche Gegend. Die Karte, die ich gefunden habe, datiert aus dem Jahre 1830 und zeigt die „Grüne Brücke“ etwas südlich von Bullenhusen; im nördlichen Bereich der Karte erkennt man „Hamm“, westlich „Hammer Holz Hafen“ und im Süden den Verlauf der Elbe, mit Entenwerder, der Veddel und der Peute. Vom heutigen Stadtzentrum sind es vielleicht 8 km Entfernung. Nebenbei bemerkt: Ganz in der Nähe der Grünen Brücke befindet sich heute einer der wichtigsten philatelistischen „Hotspots“ von Hamburg, die Philatelistische Bibliothek!

Der Brief selbst ist fast schon ein „ikonischer“ Hamburg-Beleg. Erich Kuhlmann schreibt in seinem Werk „Die Post im alten Hamburg“ [1]: „Briefe mit Stempelabdruck aus der Anfangszeit der Fußpost sind heute sehr selten“ und bildet diesen Brief auf Seite 48 ab. Er befand sich zu der Zeit der Veröffentlichung (1984) in der Sammlung von W. Diesner.

1822 – das war ja eigentlich gar nicht die „Anfangszeit der Fußpost“, die zu der Zeit ja immerhin schon ¼ Jahrhundert existierte – und doch stimme ich Kuhlmanns Aussage zu, nämlich dass diese Stempel sehr selten sind.

Ein paar andere Belege stelle ich Ihnen hier vor, die zeitlich Einordnung ist manchmal nicht ganz einfach, aber wir versuchen es einmal.

Ein weiterer Brief mit dem „FP“-Kreisstempel, ein sehr originelles Stück in Dreiecksform, mit einer Notiz an den Zimmermeister Schmitt „auf St.Jorg“ (= der Vorstadt St.Georg). Die Notiz hat etwa den folgenden Inhalt: „Die … Taubenklappe ist … zum 3ten mal gänzlich abgerissen… und nun schon wieder fertig gebaut…“

Der Brief datiert aus dem Jahre 1834 und ist mein spätester Beleg für die Verwendung des roten „FP“-Stempels.

Der Ovalstempel „Ganz frey“ wurde laut der „einschlägigen“ (Stempel-) Literatur um das Jahr 1820 herum verwendet. (In der Sammlung von Dr. Ernst Meyer-Margreth, der heutigen Vereinssammlung des Hamburger Vereins für Briefmarkenkunde, befindet sich ein Brief vom 23.12.1820 mit diesem Stempel). Der abgebildete  Brief hat keinen Inhalt und ist deshalb leider nicht datierbar.

Wie oben erwähnt, begann die Tätigkeit der Fußpost bereits im Jahre 1797. Aus der frühen Periode kann ich einige Belege vorführen:

Brief aus Rotterdam, bis Hamburg forwarded durch J.D.Klefeker, wie der seitliche Vermerk besagt, an Herrn Peters „auf den neuen Steinweg No.1“ adressiert. Empfangsvermerk 24.Januar 1798.

Brief aus Pyrmont an M.Bremond. Ein ganz entzückender kleinformatiger Brief geschrieben am 23.Januar 1798 „chez grotte maitre cordonnier près le badhaus“, adressiert an den „neuen Steinweg près la porte d`altona No.1“. Empfangsvermerk 28.Januar 1798.

Brief aus Rotterdam, bis Hamburg forwarded durch J.D.Klefeker gemäß Vermerk auf der Briefklappe, adressiert wiederum an Herrn Peters „auf den neuen Steinweg No.1“. Empfangsvermerk 17.März 1798.

Brief aus Plymouth an M. Bremond d`Ars, geschrieben am 6.April und adressiert an „Neuen Steinweg No.1“. Empfangsvermerk 27.May 1798.

Alle vier Briefe stammen also aus dem Jahre 1798 und der Fußpoststempel ist stets die (erste) Type, mit dem verschnörkelten FP und der Uhrzeit darunter. Interessant ist die stets gleiche Adresse (auf dem neuen Steinweg No.1), obwohl es verschiedene Empfänger waren, der eine, M.Peters, offenbar ein Kaufmann aus Rotterdam, der andere ein französischer Adliger „auf Tour“ durch Europa. (Die Familie Bremond d`Ars ist eine sehr alte französische Adelsfamilie, die sich bis ins 14.Jahrhundert zurückverfolgen lässt.)

Ich vermute, dass sich an der Stelle „Neuer Steinweg No.1“ ein Wirtshaus befand, wo vermutlich die Post abgeliefert wurde, vergleichbar dem Londoner „coffee house“-System.

Der letzte Brief, den ich vorstelle, datiert vom 18.August 1800.  Er ist adressiert an einen M. Dafraiche per Adresse „alter Wandrahm“ und der Absender kam aus Wandsbeck. Hier sieht man eine andere Stempeltype, „FP“ steht etwas schräg und die Uhrzeitangabe ist waagerecht darunter und nicht mehr halbseitlich wie bei der ersten Type.

Während der letzten 30 Jahre habe ich Auktions- und Festpreisangebote dieser Fußpoststempel verfolgt, und ich habe nicht sehr viel mehr als die hier gezeigten Exemplare gesehen. Die Hamburger Stadtpost, also die Fußbotenpost, musste auch nicht, wie fast alle anderen Postanstalten, während der Franzosenzeit von 1806-1813 ihren Dienst einstellen. Und dennoch – wo sind die Korrespondenzen geblieben, die von dieser Einrichtung „verarbeitet“ wurden und auf denen man eigentlich solche Fußpoststempel finden müßte?

Für die relative Seltenheit gibt es meiner Meinung zwei entscheidende Gründe.

Zum einen: die Fußpost beförderte keine Post aus Hamburg hinaus, sondern war mehr oder weniger ein Kurierdienst innerhalb der Hamburger Stadtmauern inklusive der Vorstadt (und der Landgebiete, wie das erste Beispiel zeigt). Nachrichten recht trivialer Art (wie z.B. die Nachricht an den Zimmermeister Schmitt über den erfolgreichen Bau einen Taubenschlages, s.o.!) wurden in der Regel auch nicht aufgehoben.

Zum anderen hat es in Hamburg keine großen Archive wie z.B. die französischen Weinarchive gegeben bzw. haben keine das große Feuer 1842 (mit der Zerstörung von größten Teilen der Hamburger Innenstadt) und die beiden Weltkriege des 20.Jahrhunderts überlebt.

Als die Hamburger Fußpost im Jahre 1835 in die staatliche Hamburger Stadtpost überging, stieg auch das Postaufkommen gewaltig an. Es kamen die nierenförmigen „F.P.“-Stempel in Verwendung. Gute Abschläge davon sind zwar keine Massenware, aber doch recht häufig zu finden. Ich werde dazu in einem anderen Kapitel einige Besonderheiten vorstellen.

 

[1] Erich Kuhlmann. Die Post im alten Hamburg“. Postgeschichtliche Blätter Hamburg 1984/Heft 27.