Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (15) – Die Forwarding Agents

Eigentlich ist ein „Forwarding Agent“ ja ein Frachtführer, ein Spediteur im allgemeinen Sinne, der Güter aller Art von „A“ nach „B“ transportiert. Im philatelistischen Sprachgebrauch wird der Begriff aber in erster Linie für eine Person gebraucht, die Briefe und andere Postsachen befördert. Ich betrachte in der kleinen „Aspekte“-Artikelreihe ja die Hamburger Postgeschichte, und da bleibt festzuhalten, dass z.B. alle Briefe aus der frühesten (Corsini-)Handelskorrespondenz durch „Forwarder“ befördert wurden, oft genug ist der Name des Schiffskapitäns vorderseitig vermerkt u.a. Die „Merchants Adventurers Post“ folgte zwar Regeln, aber von einer regulären Post, wie sie die Fürsten von Thurn & Taxis organisierten, kann man im 16.Jahrhundert nicht sprechen.

Das Standardwerk zum Thema der Forwarding Agents stammt aus der Feder von Kenneth Rowe [1]. Er datiert die ersten „Signaturen“ von Forwardern auf die Zeit um 1740, und das ist auch die Zeit, wo er die frühesten Forwarding Agents in Hamburg registriert hat. Überhaupt war Hamburg als Drehscheibe zwischen Skandinavien und Osteuropa einerseits und dem westlichen und südlichen Kontinentaleuropa andererseits ein Zentrum, über das alle Kommunikationswege liefen und entsprechend hoch war hier die Zahl der Forwarding Agenten. Nach den Recherchen von K. Rowe waren in Hamburg an die 150 Firmen als Agenten tätig, nur in New York und in London gab es noch mehr. (Nur einmal zum Vergleich: Die Hanse- und Hafenstädte Bremen und Lübeck verzeichnen im Register von K. Rowe gerade einmal 32 bzw. 14 Unternehmen, die in diesem Geschäft tätig waren).

Jetzt können Sie einmal den Versuch machen, Belege von allen in Hamburg tätig gewesenen „Agents“ zu sammeln; das dürfte – auch wenn der einzelne Brief vielleicht gar nicht teuer ist – schwierig bis unmöglich, vielleicht am Ende sogar langweilig sein.

Ich stelle Ihnen hier ein paar typische und auch ausgefallene Exemplare vor. K. Rowe nennt verschiedene Gründe für die Einschaltung eines Forwarding Agenten. Ich beginne mit

1. Erreichbarkeit bzw. schlechte Anbindung an das Postsystem – und der damit verbundene Zeitfaktor.

Das waren oftmals Orte im Binnenland, die eine schnelle Verbindung zum einem Hafenplatz benötigten oder gar das gänzliche Fehlen einer (regulären) Postverbindung. Der früheste Brief aus meiner Sammlung stammt aus dem Jahre 1764. Danzig – Hamburg – Bordeaux; die Strecke ab Hamburg wurde durch die Kaiserliche Reichspost gut bedient, die Strecke von Danzig nach Hamburg organisierte der Forwarding Agent.

 

1857, ein Brief aus Cöln, adressiert nach „Carlshütte bei Rendsburg in Dänemark“, „Dänemark“ durchstrichen und durch „Holstein“ ersetzt; bis Hamburg privat befördert und dann durch die Firma Osenbrüg, Corty & Co., Hamburg der dänischen Post zur Weiterbeförderung übergeben. Vermutlich war hier die Einsparung von Kosten der Hauptgrund für die Einschaltung eines Forwarding Agenten, denn die Strecke Cöln-Hamburg „funktionierte“ postalisch ja gut.

 

 

 

 

2. Die Einsparung von Kosten bei der Beförderung. 

Insbesondere bei über den Seeweg ein- und ausgehender Post bedienten sich die Kaufleute gern eines Forwarding Agenten, indem sie mehrere Briefe in einem Umschlag an den Zielort sandten und der empfangene Forwarding Agent dann die Distribution der Briefe am Empfangsort organisierte.

1855: Ein Geschäftsbrief aus Liverpool, aus Portoersparnisgründen per Forwarder nach Hamburg und dort beim Dänischen Postamt aufgegeben und nach Kopenhagen befördert. Interessant ist die privat gezähnte 4 Skilling-Marke. Die Vermutung liegt nahe, dass der Versender in Hamburg viel Post abzuwickeln hatte und seinen Portobestand  mit einer Perforation versah, um das ganze „Handling“ zu vereinfachen!

3. Die Einschaltung von Forwarding Agenten in Zeiten von Krieg und Unruhen.

Auswirkungen des 1. dänischen Krieges: Am 27.4.1848 erfolgte die Einstellung aller direkten Postverbindungen mit Dänemark. Das dänische Oberpostamt in Hamburg wurde am 28.4. geschlossen. Die Post lief von Hamburg über Lauenburg nach Lübeck/Travemünde (oder auch nach Wismar, Stralsund, Stettin) und dann weiter per Schiff nach Dänemark.

4.Sonderfälle

1857, dies ist Diplomatenpost, aus den USA nach Berlin, adressiert an den Konsul der Vereinigten Staaten. Bis Hamburg per Schiff und dann von der Firma James McDonald & Co. dem preussischen Postamt in Hamburg zur Weiterbeförderung übergeben. (Der Konsul besaß Portofreiheit, die Briefgebühr von „3“ (Sgr.) wurde gestrichen!). Kenneth Rowe schreibt dazu: „United States Despatch Agents were employees of the US Department of State and handled the transfer and relocation…of the diplomatic mail bags. … In addition to diplomatic mail the despatch agents forwarded personal mail for U.S. civil or naval personnel stationed abroad. (…) They are listed as being located in London, Liverpool, Hamburg and Le Havre as early as 1844″.

Die Bedeutung Hamburgs und der hier ansässigen Forwarding Agents wird hier noch einmal sehr deutlich.

Einen weiteren Sonderfall – Zusammenwirken von Forwarding Agent und der Stadtpost – dokumentiert die nachstehend abgebildete 2-Schilling-Ganzsache von Hamburg:

Der Absender, die Firma Schörmer & Teichmann/Hamburg benutzte zum Versand eines Konossements einen 2 Schilling-Umschlag der Hamburger Stadtpost und versandte ihn am 14.12.1867 – unter Umgehung der Post – direkt per Schiff nach London; der Firmenstempel des Empfängers ist direkt daneben abgeschlagen.

Alle staatlichen Posten, und natürlich auch die Hamburger Staatspost, waren eigentlich überhaupt nicht „amused“, wenn Kaufleute (oder andere Personen) ihr staatliches Monopol umgingen und Briefe privat beförderten. Dies wurde zum Teil mit hohen Strafgeldern geahndet. Bei der regen Kommunikation der Hamburger Kaufmannschaft mit London hat man aber wahrscheinlich gedacht, besser mit 2 Schilling „in der Partie“ zu sein, als bei einer „heimlichen“ (und wohl auch kaum kontrollierbaren) Übergabe der Post direkt aufs Schiff völlig leer auszugehen.  Jedenfalls wurde das Verfahren in einer Bekanntmachung vom 16.9.1866 ganz offiziell geregelt:

 

 

 

 

 

 

 

 

„…zur Erleichterung des Verkehrs sollen indessen für die Zukunft Briefe…von den Absendern unmittelbar den Schiffs-Capitainen übergeben und von diesen mitgenommen werden dürfen, wenn die Briefe (Connoissements) in Post-Couverts à 2 ß [Schilling] gelegt und letztere nicht nur mit vollständiger Adresse, sondern neben den Werthzeichen auch mit dem Namen des Absenders und dem Namen der Absendung versehen sind….“

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier wird also der Sonderfall dokumentiert, bei dem die private Postbeförderung durch einen Forwarding Agenten (oder sagen wir jetzt besser „Spediteur“..) staatlich sanktioniert wurde. Von solchen Umschlägen sind nur wenige erhalten geblieben; das gezeigte Verfahren war aber auch nur von Mitte September 1866 bis zum Ende der Hamburger Stadtpost am 31.12.1867 möglich.

Die große Zeit der Forwarding Agents  ging um 1860, mit den immer besser werdenden Kommunikationsmöglichkeiten (schnellere Transportwege, günstigere Posttarife usw.) langsam zu Ende. Wenn Sie alte Hamburg-Briefe genau ansehen, werden Sie oftmals – meist handschriftliche – Vermerke finden, die auf eine Expedierung außerhalb des oder der staatlichen Postsysteme hinweisen. An dieser Stelle wollte ich nur einige typische Beispiele vorstellen, vielleicht aber haben auch Sie Spaß am Suchen – „Happy hunting“!

 

[1] Rowe, Kenneth. The Postal History of the Forwarding Agents. Louisville,Kentucky, 1984.