„Jeder stirbt für sich allein“ – privater Widerstand in den letzten Monaten des Dritten Reiches

Ein (post-)historisches Dokument aus der Reichshauptstadt Berlin im Oktober 1944:

Ein Aufruf an Euch!

Unsere HEIMAT ist in höchster GEFAHR!!

DEUTSCHLAND steht vor seiner SELBSTVERNICHTUNG!

Wenn Ihr Euch nicht jetzt besinnt, ist es zu spät. Wollt Ihr noch zusehen, wie Ihr selbst, Eure Kinder und Frauen, die Soldaten an der Front langsam, aber sicher einem qualvollen Ende entgegengehen. Hitler scheut kein Blut, um seine mörderischen Pläne durchzuführen. Der von ihm verbrecherisch heraufbeschworene Krieg hat die Wendung genommen, die ja kommen musste. Jetzt, wo sich die Völker, die er schonungslos überfallen und dann mit süssen Verheissungen umschmeichelt hatte, sich mit Recht erheben, nachdem sie den Betrug gemerkt haben, da will dieser hinterlistige Mordbube seine eigene Niederlage vertuschen. Üble Hetzpropaganda, heuchlerische Versprechen und „neue Waffen“ sollen uns nur von dem Elend, in das er uns gestürzt hat, ablenken. – Es ist doch verständlich, dass die Nazis um ihr Leben und ihr Bonzentum zittern und alles dafür einsetzen. Dass sie aber friedfertige Bürger zum Werkzeug ihrer Pläne machen und sie ins Feuer schicken um ihrer Existenz willen, ist das Verwerflichste. – DEUTSCHE WACHT AUF! Ihr steht vor der Entscheidung: Entweder Untergang oder Erhaltung Eurer Familie, Eures Daseins. Die Kapitulation ist in dieser hoffnungslosen Lage die einzige Rettung und ein Sieg der Vernunft. – Drum schliesst Euch zusammen zum Kampf gegen diese Verleumder und wahren Verräter!!!

– Gebt diesen Aufruf weiter an Kameraden, zu denen Ihr Vertrauen habt –-„

Das ist der Text dieses Kartenbriefes, der am 4.Oktober 1944 in Berlin O17 vermutlich in einen Briefkasten am Schlesischen Bahnhof (dem heutigen Ostbahnhof) geworfen wurde. Adressiert ist der Umschlag an „Leo Frieske, Berlin NO 18, Thornerstraße 64“.

Im Berliner Adressbuch für das Jahr 1943 wird der Name Leo Frieske als „Großfleischerei“ geführt. Natürlich bleibt der Absender anonym, aber wer immer er war, er hat mit der Versendung solcher, gegen das Regime gerichteter Briefe sein Leben riskiert.

Ein erschütterndes Zeitdokument –  wir denken sofort an Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“. Und wie spannend es sein kann, scheinbar belanglose Poststücke genau zu studieren, zeigt dieser historische Beleg. Bald feiern wir den 75.Jahrestag der Beendigung des 2.Weltkrieges und kaum jemand aus den jüngeren Generationen kann sich noch in die Gedanken und Nöte der damals betroffenen Menschen hineinversetzen.

Hier verdient die Philatelie ihre Anerkennung als ernst zu nehmende Hilfswissenschaft!

Geldanlage Briefmarkensammeln

Fand man früher in etlichen renommierten Printmedien (wie der „Süddeutschen Zeitung“ oder der „Hörzu“) regelmäßige Beiträge in „Briefmarken-“ oder „Sammler-Ecken“, so ist es heutzutage sehr selten, dass über das Hobby „Briefmarkensammeln“ oder gar über die „Philatelie“ in den normalen Zeitungen oder Journalen überhaupt einmal berichtet wird. Den nachstehenden Artikel fand ich in der €URO AM SONNTAG, einer Zeitung, die sich vornehmlich mit Geldanlagen und Sachwertinvestitionen beschäftigt:

Herr Bennewirtz und sein Fonds wurde den meisten Briefmarkensammlern bekannt, als er die erste bundesrepublikanische „Audrey Hepburn“-Marke, die aufgefunden wurde, auf einer Auktion im Jahre 2005 zum damals doch sehr avantgardistischen Preis von rund 160.000 Euro inkl. Auktionsaufgeldern erwarb. Ob das eine „rentierliche“ Anlage war, wird sich erst zeigen, wenn das Stück wieder einmal (öffentlich) verkauft wird. Ein „return of investment“ dürfte für Bennewirtz aber damals bereits im Medien- und PR-Rummel bestanden haben, der seinen Fonds in den Fokus der Öffentlichkeit brachte.


Die wertvollste und berühmteste moderne Briefmarke der Welt!

Immerhin: ein in der Grundtendenz durchaus positiver Artikel, in einer Zeitschrift, deren Klientel garantiert nicht vornehmlich aus Briefmarkensammlern besteht. Während aber Gerd Bennewitz ganz konkrete Anlageempfehlungen gibt (z.B. „Mittelamerika“,“ Rumänien“, die „Türkei“, das „Sudetenland“ und „Altbayern“), vermeidet Benedikt Reichl von der Firma Catawiki (www.catawiki.de) dieses. Vielmehr setzt er auf philatelistisches Wissen, das umso bessere Erträge bringt, je profunder man in die Materie eindringt. Lesen Sie hier seinen Beitrag zum gleichen Thema aus dem Briefmarken-Spiegel 12/2018:

Dieser Ansatz zu einer „Investition in Briefmarken“ wendet sich allerdings nur an Personen, die, als Leser einer entsprechenden Fachzeitschrift, Briefmarken ohnehin sexy finden. Die Investition findet eben vornehmlich auf einer zweiten Ebene statt: “ Ich finde Freude und Entspannung und investiere in meine Gesundheit, indem ich ein wunderbares Hobby pflege.“

Noch enger fokussiert – nämlich auf die klassischen Briefmarkenausgaben der Schweiz – kommentiert Gottfried Honegger.

Er stellt die hypothetische Frage: „Muss sich denn alles rentieren?“ in seinem Vorwort zu seinem neuen Alt-Schweiz-Katalog 2019 (www.ghonegger.ch). Freude am Zusammentragen und gleichzeitiger Erhalt von Werten – das funktioniert, wenn Sie es richtig machen. Lesen Sie Gottfried Honeggers Plädoyer für ein Investment in Alt-Schweizer Briefmarken:

„… Aussichten: Die politischen Aussichten waren auch schon einmal weniger wolkenverhangen. Es sind weltweit etliche Klippen noch zu umschiffen und es lauern ständig neue Gefahren, die einem Angst machen könnten. Der stärkste Wirtschaftsmotor Europas, Deutschland, stottert. Das ist vor allem politisch gemeint. Und auch nach der Ankündigung der Ablösung der führenden Politiker (auch der Bundeskanzlerin) werden sich die neuen Leute erst einmal einarbeiten und ein Netzwerk aufbauen müssen. Von der früheren Führungsrolle ist man da weiterhin entfernt. Nur kurzfristig hat diese Rolle Frankreich übernommen, aber da türmen sich bereits wieder die altbekannten Probleme auf. Der Brexit von Großbritannien ist noch längst nicht bewältigt und wie dieser letztlich enden wird, werden wir in den nächsten Monaten sehen. Euphorie ist noch lange nicht angesagt. Irgendwelche politischen Aktivitäten sind da nicht zu erwarten. Und in den Oststaaten der EU macht sich da und dort Widerstand gegen „Brüssel“ bemerkbar. Alles in allem, wähnt man sich bei nüchterner Betrachtung von „lame ducks“ umgeben! Von der anderen Seite des Atlantiks kommen harsche Töne in die ehedem freundschaftlichen Beziehungen. Blauäugig, wer da auf allzu viel Hilfe oder Entgegenkommen in der nächsten Zukunft setzen möchte. Im Gegenteil: Die Dreistigkeit, mit der auch gegenüber Grossmächten wie China und Russland abgeschlossene Verträge ohne vorherige Kontaktaufnahme gekündigt und abgebaute Handelsschranken wieder aufgebaut werden, weil sie nicht ins Trump`sche Konzept passen, lassen weltpolitisch neue Probleme auftauchen, deren Lösung und Bewältigung Jahre dauern könnten. Und im Vorderen Orient brodelt es in vielen Staaten neuerdings bzw. immer noch. Auch vermeintlich befreundete Staaten zeigen plötzlich ein zweites Gesicht, um nicht zu sagen, eine hässliche Fratze. Kein Wunder, dass sich diese unsicheren Zeiten auch an den Börsen zeigen. Da wechseln Hochs und Tiefs sozusagen im Wochentakt ab. Solche Zeiten verunsichern Anleger. Vor allem solche, die keine Tages-Spekulationen mitmachen möchten und eine kontinuierliche Anlage suchen, meiden diese und warten ab. Und dies nicht nur schon seit einiger Zeit, sondern auch wohl für die nähere Zukunft. Genau diese politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten bewegen anlagebereite Leute, alternative Anlagemöglichkeiten zu suchen. Anlagemöglichkeiten, die, wenn sie schon keine Renditegarantie bieten, so doch wenigstens Freude bereiten. Und genau dies ist wiederum ein starkes Investitionsargument für unsere alten Schweizer Marken! Die Zinssätze werden wohl noch für zwei, drei Jahre tief verbleiben. Weiter in die Zukunft zu schauen, wäre Spekulation. Und genau das sollte man mit Briefmarken nicht tun: diese haben nichts mit Spekulation zu tun. Die Spekulanten in der Philatelie gab es immer wieder einmal durchaus, z.B. in den 60er bis 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts das letzte Mal. An dieser Markt-Überhitzung hatten wir über Jahre zu leiden. Es gibt keinen Grund, diese Zeiten zurückzuwünschen! Briefmarken sollen vor allen Dingen Freude bereiten! Freude, die ein ganzes Leben anhalten soll und auch kann! Das lässt die Frage nach einer diesbezüglichen Rendite kleinlich und nebensächlich erscheinen. Überlegen Sie sich doch einmal, welches andere Hobby denn eine Rendite in Franken und Rappen einträgt? Golfspielen oder Tennis vielleicht? Was „rentiert“ denn ein Tag im Pulverschnee mit Liftabonnement und womöglich auch noch mit Unterkunft? So etwas macht man doch einfach, weil es einen freut – und nicht, weil man da eine finanzielle Rendite sucht! Warum also muß der Kauf von Briefmarken „rentieren“? Wenn diese einem keine Freude bereiten, so soll man den Kauf besser lassen. Dennoch ist eine Investition in Alt-Schweiz-Marken keineswegs mit dem Verlust der investierten Mittel gleichzusetzen. Mit guten eigenen Kenntnissen oder einer seriösen Beratung eines zuverlässigen Lieferanten kommt hier mit Sicherheit eines Tages auch etwas wieder zurück. Dies vor allem, weil einem zwei Faktoren zugute kommen: erstens einmal investiert man in eine stärksten Währungen der ganzen Welt, nämlich in den Schweizer Franken. So kann es sein, dass Anleger aus anderen Ländern beim Verkauf der Sachen sehr viel mehr in ihrer eigenen Währung zurückerhalten als beim Kauf, weil eben die eigene Währung gegenüber dem Schweizer Franken gefallen ist. Und zweitens dient einem der Umstand, dass ein Kauf von Alt-Schweiz-Marken eine Investition in ein Schweizer Kulturgut darstellt!…“

Ist Briefmarkensammeln also eine empfehlenswerte Geldanlage?

Drei Meinungen habe ich Ihnen hier vorgestellt und jeder Fachmann hat seine eigenen Vorstellungen. Wenn Sie ratlos sind oder vielleicht noch Diskussionsbedarf haben, schreiben Sie mir gern! (hjschwanke@googlemail.com)

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (1): Die frühesten Kaufmannsbriefe aus HAMBURG

Spricht man von ganz frühen Briefen aus Hamburg, so fallen Historikern frühe amtliche oder kirchliche Dokumente ein, Dokumente, die durch amtliche, vom Magistrat angestellte Boten in andere Städte, zu Fürsten, Königen und Kaisern befördert worden sind. Solche Dokumente sind in aller Regel nur in Museen zu sehen oder liegen in staatlichen Archiven.

Zeugnisse erster, einigermaßen regelmässiger Postverbindungen von Hamburg sind erst aus dem 16.Jahrhundert bekannt. Hier geht es um Briefe, in denen Kaufleute untereinander in Verbindung traten und dieser Informationsaustausch durch staatlich oder private geregelte Botendienste bewerkstelligt wurde. Diese frühesten Kaufmannsbriefe aus Hamburg wurden erst bekannt, als in den 1980er Jahren das „Corsini-Archiv“ auf den philatelistischen Markt kam.

Die Corsini – Korrespondenzen

Die Corsinis waren eine Kaufmannsfamilie, deren Aktivitäten bereits um 1300 in Florenz nachzuweisen sind. Bereits in dieser Zeit entwickelt sich in den oberitalienischen Städten aus dem frühen Tauschhandel des Mittelalters ein neues Wirtschaftssystem, dessen Zielsetzung es ist, dass aus dem Handel mehr Zugewinn entsteht, dass aus Geld mehr Geld wird: Der Kapitalismus…. Schon bald reichen die Verbindungen der Kaufleute und ersten Bankiers in Italien weit über die Landesgrenzen hinaus.

Auch in London gründen die Corsini eine Niederlassung.

Zinn aus Cornwall, Sardinen aus Looe, Elefantenzähne und Neufundland-Kabeljau aus Plymouth, Tuchwaren aus Colchester und Norwich, Heringe aus Yarmouth: Die Corsinis kaufen und exportieren englische Produkte nach ganz Europa.

Im Gegenzug kommen Waren aus gut hundert europäischen Städten nach London. Insbesondere Stoffe und feste Tuche („Fustian“ oder Berchent, ein fest gewebtes Tuch, aus dem besonders Arbeitskleidung hergestellt wird und das als „Jeans“ oder „Denim“ (de Nimes) später weltberühmt wird), aus Florenz und Venedig kommt Seide, aus der die Roben Königin Elisabeth I. gemacht wird und die William Shakespeare für die Kleider seiner Schauspieler im Globe Theater verwendet.

Sie waren Bankiers und hatten Niederlassungen in Augsburg, Lyon, Köln oder Venedig.

Piraten und Wegelagerer waren ihre ewigen Gegenspieler, wovon viele Berichte Zeugnis ablegen. 340 Handelshäuser in 100 Städten korrespondierten mit ihnen, von Lissabon bis Danzig, von Malta bis Middelburg. Die Briefe wurden mit der „Merchants Strangers Post“, der „Merchant Adventurers Post“, der Thurn & Taxis` schen Post oder anderen Transportunternehmen befördert, sie benutzten allgemeine Botendienste oder ihre eigenen Kuriere, von Florenz über Pisa, Mantua, Nürnberg, Köln, Brüssel und Calais.

Spanien kämpfte gegen Wilhelm von Oranje in den Niederlanden, französische Könige wurden ermordet, Katholiken brachten Hugenotten um und umgekehrt. Die Spanische Armada kam und verschwand…

Und immer gingen die Geschäfte weiter, mit wenig mehr als einem kurzem Blick auf die blutigen Gemetzel um sie herum.

Dass wir heute einen so vorzüglichen Einblick in die Kaufmannswelt des 16.Jahrhunderts haben, verdanken wir dem glücklichen Umstand, dass das Archiv der Firma Corsini in London im Großen Brand von 1666 (bei dem vier Fünftel der City of London in Schutt und Asche gelegt wurden) nicht zerstört wurde.

Die Briefe waren zum Teil vorausbezahlt, aber meistens wurde das Beförderungsentgelt dem Konto des Absender belastet. Es etablierten sich die „Forwarding Agents“, es gab Routen- , Kurier- und Tax-Vermerke, Schiffsbriefe und sogar „Einschreiben“ ….

Es ist der Zeitraum von etwa 1580 bis 1600,

auf den wir durch die Corsini-Korrespondenzen einen Blick auch auf das Leben und Treiben in Hamburg und das Handeln seiner Kaufleute bekommen.

Eine kleine Zeittafel aus der Hamburger Geschichte notiert folgende Denkwürdigkeiten:

1577: In der Hamburger Börse wird ein Postmeister eingestellt, der ein- und ausgehende Boten kontrolliert und in dessen Haus Briefe abgegeben werden können.

1584: Schwere Sturmflut, Bruch des Hammer Deiches

1588: 24 Wochen ununterbrochener Regen. Sturmflut, Deichbrüche.

1589: Der Nikolai-Kirchturm brennt nach einem Blitzschlag ab.

1590: Im Auftrag des Hamburger Rates bezieht ein Kapitän Warnecke auf der Elbe vor Stade Wache, um Hamburger Schiffer daran zu hindern, in Stade ihre Ladung zu löschen, die in Hamburg dringend gebraucht wird.

1593: Sturmflut. 40 Schiffe mit Korn gehen in der Nordsee unter.

1598: Starker Winter. Man kann über das Eis nach Dänemark laufen. Die Pest in Hamburg hält an.

1600: Durch Eingriffe in den Elblauf wird mehr Wasser in die Norderelbe geleitet und den Schiffen damit mehr Tiefgang verschafft. Hamburg hat jetzt 40.000 Einwohner.

In den Briefen lesen wir zum Beispiel Berichte über Geschäfts-Transaktionen, die der Absender für die Corsinis getätigt hat, finden Auflistungen über die Güter, die mit dem jeweiligen Schiff transportiert werden, aber auch Berichte über die allgemeine Geschäftslage.

Die Briefe wurden durch Schreiber in den Kaufmannskontoren angefertigt, auf gutem Papier, oft mit schönen Wasserzeichen. Jeder Brief wurde gefaltet und gesiegelt und oftmals mit einer Schnur verschlossen, die durchgeschnitten werden musste, um den Brief lesen zu können. So war sichergestellt, dass kein Unbefugter von außen auch nur einen kleinen Teil des Inhaltes lesen konnte.

Um die hohen Risiken des damaligen Transportes zu verringern, schlossen sich oft mehrere Kaufleute zusammen und versandten ihre Waren auf verschiedenen Schiffen. Die Ballen und Kisten wurden mit Kaufmannszeichen versehen, die ebenfalls in den Briefen notiert wurden. Sendungen für einen Empfänger, die in mehreren Schiffen angekommen waren, konnten so am Bestimmungsort leicht wieder zusammengeführt werden.

Die begleitenden Kaufmannsbriefe wurden in der Regel in Kopie oder sogar mehrfach ausgefertigt und so auf verschiedenen Schiffen zum Empfänger transportiert. Unter den von mir untersuchten 20 aus Hamburg stammenden „Corsini“-Briefen fand ich zwei Stück gleichen Datums und etwa gleichen Inhaltes, jedoch war ein Brief in Hamburg, der andere in Stade geschrieben worden (!) – siehe unten.

Es handelt sich ausnahmslos um Schiffsbriefe

bei den von mir untersuchten Hamburger Corsini-Briefen.

Sehr oft wird die Beförderungsmöglichkeit benannt: „Con la Nave de…“ (Es folgt der Name des Kapitäns, der meist auch Schiffseigner war), hinzugesetzt in der Regel eine Beschwörungsformel wie „che lo dio salve“ (also etwa „Den Gott beschütze“).

Ein paar Bemerkungen zu den auf den Briefen regelmäßig wiederkehrenden Signaturen und Zeichen:

Vorder- oder rückseitig finden sich kleine handschriftliche Kürzel, die wohl den Absendern zuzuordnen sind. Robson Lowe bezeichnet diese als „Writers` Manuscript Endorsements“. Die in seinen Ausarbeitungen vertretene Meinung von Giorgio Migliavacca, es handele sich um die Benennung des jeweils zu wählenden Kurierdienstes kann ich nicht teilen. Da es sich bei den Hamburger Briefen um Schiffsbriefe handelt, war ein Kurier nicht von Nöten. Vielmehr glaube ich, dass es Kürzel des/der jeweiligen Schreiber sein könnten. Dies wäre dann vielleicht zugleich eine Art „Kontrollsignatur“ für den Kaufmann.

Auf der Rückseite ist fast immer ein Empfangs-„Registraturvermerk“ der Firma (Bartolomeo) Corsini zu finden, der in der Regel den Absendernamen sowie Absende- und Ankunftsdatum umfasst. 

Darunter ist meistens ein „Gebührenvermerk“ zu sehen, der auf allen untersuchten Hamburg-Briefen ähnlich ist.

Auch hierzu gibt es verschiedene Interpretationen.

Ich denke, die Kürzel könnten „p.q./3“ lauten, also „per questa/3 (pence)“, die im Hause Corsini dem Konto des Absenders „abgelastet“ wurden. Ein solches Abrechnungsverfahren war zumindest bekannt, in einigen Briefen der Corsini-Korrespondenzen haben sich jedenfalls Geschäftspartner über (hohe) Portokosten beschwert.

Sehen wir uns jetzt einige Briefe im Detail an:

 

 Zwei typische Corsini-Briefe aus den Jahren 1585 und 1586, beide an Bartolomeo Corsini „in Londra“ adressiert. Mit Zusatz des Schiffes bzw. des Schiffseigners „Con la nave hari Grimbarch“ bzw. „con ricardo harper“ und der Formel „i dio salvi“ (in etwa: den Gott beschütze). Am Oberrand der Briefe die oben beschriebenen „Writers` endorsements“.

Registraturvermerk des Empfängers: „D´Amborgo bzw. „D´Ambo“, dann das Datum und der Name des Absenders (Mart.Enzesperger bzw. Gilis de Grane. Unter diesen Notizen m.M. die Portoablastung auf das Konto des Absenders: „p.q./3“ (per questa/3). Diese Vermerke sind auf allen mir vorliegenden hamburger Briefen an Corsini gleich. Die Portogebühren wurden dem Konto des Absenders im Hause Corsini belastet.

Noch einmal Abbildungen von rückseitigen Registratur-Vermerken. Die inhaltliche Signatur ist immer gleich: „p.q./3“ (=per questa/3[pence]).  Ich vermute, dass dieser Betrag dem in der Firma Corsini geführten Kontokorrentkonto des Absenders belastet wurde.

Kaufmannszeichen, die zur Kennzeichnung der Güter (Ballen und Kisten) dienten. Die Kaufmannszeichen wurden auch oft  auf der Adressseite der Briefe angebracht. 

„Delle due balle fustani delle regine del maestro Cipoletti di Cremona …“ – Zwei Ballen Fustian vom Meister Cipoletti aus Cremona – Kleider für die Königin [Elisabeth I]! Aus einem Brief von 1595 an Bartolomeo Corsini.

Dieser Brief ist stark gebräunt. Dies rührt von der Desinfektion gegen Seuchen her. Die Briefe wurden auf ein Rost in einem Kasten gelegt, darunter wurden Kräuter angezündet. Die Dämpfe sollten alle Krankheitskeime „ausräuchern“. Pest und Cholera waren um 1600 in Europa sehr gefürchtet. In Hamburg wird im Staatskalender von 1598 die Pest erwähnt.

 

1596, 19.November. Ein höchst bemerkenswertes Brief-„Paar“: Beide Briefe gleichen Datums, von „Alessandro Rocha u. Giobat. Ghinucci“ an Bartolomeo Corsini in London adressiert. Gleiches Inhaltsverzeichnis über verschiedene Waren (von verschiedenen Handelshäusern), die in 4 Schiffen versandt wurden. Der linke Brief wurde in Hamburg, der rechte jedoch in Stade aufs Schiff gegeben! Ein schönes Beispiel, welche Methoden die Kaufleute anwandten, um die erheblichen (Transport-)Risiken zu verringern.

Literatur:

Auktionskataloge: Christie` s Robson Lowe „The Corsini Correspondence“, London 4.9.1984,

Philatelist and PJGB (Philatelic Journal of Great Britain), hrsg. Robson Lowe, London. 1984-85, Vol. 4, No.3-4, Vol 5, No.6, Vol. 6,

dto. „Postal History 16th-18th Century“ Zürich 17.-18.4.1985

dto. „The Postal history of Western Europe and the Mediterranean 1539-1884“ Zürich 4.11.1986

Zum weiteren Studium der CORSINI-Korrespondenzen empfehle ich Ihnen auch einen im Jahre 2020 in der DBZ Nr.17 erschienenen Artikel von Michael Burzan. Dieser Artikel enthält viele zusätzliche historische Informationen, doch bleibt auch hier die Deutung der verschiedenen Zeichen, Abkürzungen und Hinweise auf den Corsini-Korrespondenzen oftmals im Unklaren. Postgeschichtler haben diesbezüglich sicher noch manche harte Nuss zu knacken!

Hier finden Sie den Artikel von Michael Burzan: 

DBZ-17-20-Corsini-A