Rares Und Kurioses

Nach mehreren Jahrzehnten Marktbeobachtung wäre es erstaunlich, wenn einem bei der Durchsicht aktueller Auktionsangebote nicht das eine oder andere merkwürdig vertraute Stück begegnen würde, das Erinnerungen weckt oder Assoziationen hervorruft. Mit gutem Archiv oder gutem Gedächtnis kann man manches, das Anderen wie eine Neuentdeckung erscheint, per Handschlag als alten Kameraden willkommen heißen. Kenner werden außerdem verstehen, dass und weshalb sich dieser Eindruck bei einem postgeschichtlich immer so vielfältigen Angebot wie dem einer Schwanke-Auktion mit einiger Regelmäßigkeit einstellt. Ich greife im Folgenden nur vier der diesmaligen Schwanke-Specials heraus – einerseits, weil sie es als hervorhebenswerte philatelistische Exemplare allemal verdient haben, zum anderen, weil ich entweder gewisse Erinnerungen mit ihnen verbinde oder weil sie besondere Assoziationen wecken, die hier kurz auszubreiten vielleicht auch für Andere von Interesse ist.

Beim letzten Verkauf war ich dabei

Der 9. November 1991 war ein Samstag. Wiesbaden, Boker-Preußen-Versteigerung, kein Sitzplatz frei hinter mir im Saal: Mit den Losen 40 und 41 ruft Auktionator Volker Parthen zwei sehr seltsame preußische Briefe auf, die selbst erfahrenere Preußen-Sammler stutzen lassen: Beide tragen nämlich rückseitig Bogenränder der 1 Sgr. schwarz a. rosa (MiNr. 2) bzw. der 2 Sgr. schwarz a. blau (MiNr. 3), die keinerlei Druck aufweisen und bei denen es sich offensichtlich um Teile der unbedruckten Randstreifen dieser preußischen Freimarken handelt. Das erstgenannte Stück mag man wegen seiner Position auf dem Brief noch als amtlich entwertete Verschlussmarke deuten (es gibt noch einen zweiten, ähnlichen Brief aus der Auflösung der 2. Metzer-Sammlung).

Der zweite Beleg ist noch ungewöhnlicher. Denn das unbedruckte Randpapier der 2-Sgr.-Marke, das dieser Brief trägt, kann nicht zum umseitigen Briefverschluss gedient haben, haftet aber fest und original auf der Rückseite eines Zirkulars und trägt, wie die eigentliche Franktur, einen sauberen Abschlag des Nummernstempels „557“ von Gumbinnen. Orts- und (umseitig) Ankunftsstempel sind beigesetzt.

Schon im Vorfeld der Versteigerung war dieser Brief damals unter Preußen-Liebhabern Gegenstand kontroverser Diskussion gewesen, denn für die rückseitige Verwendung und die (auf das Briefpapier übergehende) Abstempelung des unbedruckten blauen Markenrandes auf der Briefrückseite gibt es keine nachvollziehbare postalische Erklärung. Dass es diesen feuchten Papierrest einer vorhergehenden regulären 2-Sgr.-Markenverwendung auf die Rückseite des Briefes verschlagen hat, mag man ja noch als Zufallsereignis glaubhaft finden. Das eigentlich Absonderliche ist aber gar nicht das Vorhandensein des unbedruckten Markenrandes auf der Rückseite. An einem Postschalter mag es vorgekommen sein, dass der Absender eines Briefes oder der Beamte selbst den Beleg versehentlich auf einen „Papierrest“ auf der Schaltertheke gelegt hat und dass dieser Papierrest auf Dauer haftengeblieben ist. Insoweit ist postalisch alles noch leidlich in Ordnung oder doch tolerabel.

Zum spannenden Problemfall wird dieser Beleg erst dadurch, dass der Postbeamte diesen Papierrest dann doch bemerkt, ihn zwar nicht als Freimarke der längst ausreichenden Frankatur hinzurechnet, ihn ansonsten aber doch wie eine Freimarke behandelt und mit einem Ringstempel „entwertet“ hat, damit nicht jemand auf den Gedanken verfalle, ihn zu eigenen Zwecken weiter zu verwenden.

Der Abschlag eines postalischen Stempels, eines preußischen zumal, ist eine hoheitliche Handlung. Mit einem solchen hoheitlichen Akt ist im vorliegenden Fall ein durch Vorgesetzte sanktionierbares Missgeschick in ein immerhin noch „amtlich zur Kenntnis genommenes“ Malheur abgemildert worden. Den Brief mit anhaftendem Bogenrand und mit dem örtlichen „Vernichtungsstempel“ (wie die preußischen Nummernstempel amtlich hießen) in die Welt hinausgehen zu lassen, mag dem Postbeamten als „das kleinere Übel“ erschienen sein, das er seinem Vorgesetzten notfalls noch eher hätte erklären können als ein völliges „Übersehen im Amt“, mithin eine durchaus gröbere Fehlleistung. So ganz nach dem Buchstaben der Postverordnung mag die Handlungsweise des Beamten wohl nicht gewesen sein; aber zum Vorteil der Post, des Postkunden und schließlich auch des Beamten selbst war sie schon.

Ein solcherart behandelter Beleg bleibt ein postamtlich und damit hoheitlich behandeltes postgeschichtliches Dokument, das auf eine spannendere Geschichte verweist als es einerseits ein ordnungsgemäßes Exemplar, andererseits die postseitige Ignorierung des rückseitig anhaftenden Markenrests je hätten sein können. Da die Orte der drei bekannten Fälle preußischer Ringstempelung von unbedruckten Markenrändern geographisch weit gestreut sind, besteht sicher keine realistische Gefahr einer Absprache oder einer nachträglichen Manipulation. Auch das ist einer der Gründe, weshalb ich damals, im November 1991, im Wiesbadener Auktionssaal auf diese Zwillings-Belege mitgeboten, es aber nicht all zu weit getrieben habe. Ich habe zwischenzeitlich mehr als einmal bedauert, nicht ausdauernder gewesen zu sein. Aber ich hatte so eine Ahnung, als würden wir uns noch einmal begegnen.

Der Anruf – oder: Elf grüne Oktogone

Das beliebte Kartenspiel „Elfer Raus“ hatte in den frühen 1960ern eine grüne Kunststoffhülle – und die heutige Version kommt, wovon ich mich gerade habe überzeugen dürfen, noch immer in einem kräftig grünen Pappschuber daher. Ob das „nur so eine komische“ Assoziation ist oder mehr, mag entscheiden, wer sich dazu berufen fühlt. Den Elferblock der grünen britischen Oktogone (SG 54-56) zu sehen und mich an die Kartenbox meiner Vorschul-Kindheit zu erinnern, war jedenfalls eins. Da einer der Elfer-Raus-Partner aus Kindertagen ein halbes Jahrhundert später in England lebt und die Briefmarken der neuen Heimat sammelt, ist jedenfalls nicht mehr als ein Zufall. Weniger zufällig ist, dass es mir selbstverständlich schien, ihn kürzlich während eines Telefonats eigens auf die spektakuläre britische Markeneinheit im Schwanke-Angebot anzusprechen. Das Telefonat ging, kaum geschönt, etwa folgendermaßen. Die Leitung war schlecht, es begann schon nicht vielversprechend, und es wurde dann übler. Charakteristische Auszüge:

„Oktogone? Ach, du meinst Preußen“
„Nein, nicht Preußen. Groß-bri-tan-ni-en, die 1 Schilling von 1847. Kennst Du doch.“
„Wie, nichts Besonderes? Im gestempelten Elferblock schon, oder?“
„Was? Vergiss doch mal Elfer Raus für einen Moment. Und hör zu: Ich sprach von ‚Elferblock’. 1 Schilling grün 1847. Elf Stück aus der Bogenecke.“
„Nein, rechte untere Ecke.“
„Allerdings.“
„Will ich doch hoffen.“
„Jaja, tadellos, wirklich eindrucksvoll. 1 Schilling grün!“
„Nein, nicht ‚schön’. Doch doch, das auch. Aber ich meinte grün, Grü-hün. Sieht aus wie ein arabischer Teppich oder portugiesische Kacheln. Nur schöner.“

Der Kollege ist halt nicht so flink. Aber wenn er mal was begriffen hat, ist er schnell Feuer und Flamme. Und er hat tatsächlich eine tolle GB-Sammlung. Der 11er-Block der 1 Sh. „Grühün“ würde dort prima hineinpassen.

Drin ist drin bleibt drin…

Manche sachlichen Fehler, die aus unerfindlichen Gründen einmal in den MICHEL-Katalog geraten sind, wirst du nicht mehr los. Vor allem dann, wenn sich für die Aufnahme ein womöglich längst verblichener Prüfer verbürgt hat. Drin ist drin bleibt drin! Egal, wem man schreibt; egal, mit wem man spricht. Nichts spricht derzeit dafür, dass es der von Schwanke als Los 150 angebotenen griechischen Ganzsache P54 anders ergehen könnte. Die Inlands-GA zu 10 Lepta von 1946 kam laut MICHEL aufgrund der Inflation nicht mehr zum Verkauf. Erst zehn Jahre später [mithin 1956] wurde sie als Formblatt postamtlich aufgebraucht.

Das in der Auktion angebotene, im Jahr 1947 bedarfsmäßig gebrauchte Exemplar mit aufwendiger Zusatzfrankatur und Militärzensur im Auslandsverkehr nach Hamburg – attestiert, versteht sich – widerlegt die Katalogweisheiten. Beachtung verdient allerdings die Absenderangabe: Das Athener Unternehmen „Paleologo“ betrieb seit 1946 die „Paleologos Shipping Agency“, die den Fährverkehr zwischen Griechenland und Italien bediente. Das mag dem Entstehen dieses Belegs förderlich gewesen sein.

10c. USA

Spektakuläre Teilgezähnte Abarten verstecken sich bisweilen, und es erfordert dann einigen Aufwand, sie sichtbar und philatelistisch glaubhaft zu machen. So erfordert beispielsweise das Erkennen von Wasserzeichen-Abarten oder Papierdicken-Varianten oder Markenfarbenunterschieden häufig einen beträchtlichen apparativen Einsatz. Die Feststellung und Identifikation von Zähnungsabarten stellt dagegen – sofern es sich nicht lediglich um geringfügig abweichende Zähnungsmaße handelt – im allgemeinen kein Problem dar. Ob eine Marke Zähne hat oder nicht, ob sie teilweise oder vollständig fehlen, ist in der Regel leicht festzustellen. „Der Sammler sollte zur eigenen Sicherheit“, so habe ich an dieser Stelle vor vier Jahren geraten, „darauf achten, Zähnungsabarten zu erwerben, bei denen die fehlende Zähnung zum Bogenrand hin (oder bei Markeneinheiten zwischen den Marken) liegt. In jedem Fall aber sollten die erhalten gebliebenen Markenränder so großzügig bemessen sein, dass der Verdacht, jemand habe sich mittels einer Schere der lästigen Zähnung entledigt, gar nicht erst aufkommt.“

Das sind jedoch bloß einige formale Kriterien, denen eine salonfähige Ungezähnte nachkommen sollte. Darüber hinaus ist es wenigstens nicht hinderlich, wenn die Marke in irgendeinem, individuell sicher variierenden Sinne als mindestens „attraktiv“, wenn nicht als „atemberaubend“ bezeichnet werden darf, und wenn sie außerdem nicht schon an jeder philatelistischen Ecke herumsteht.

Eine solche philatelistische Bordsteinschwalbe, die mit Jedem mitgeht, ist die als drittletztes Los der Schwanke-Specials offerierte amerikanische Wappen-Adler-Marke (Eagle and Flags) ganz sicher nicht. Schon ein normaler Einzelwert dieser 10 c. gelborange, 1869, der USA (Scott-Nr. 116, MiNr. 30) ist mehr als schlichte Alltagskost. MICHEL und SCOTT kennen nun aber überhaupt keine nennenswerten Besonderheiten dieser Marke, geschweige denn ein attraktives, oben ungezähntes Exemplar vom oberen Bogenrand mit Plattennummer „15“ und einem für US-Verhältnisse sauberen Target-Stempel, der zudem das Markenbild und den unperforierten Übergang von Marke zu Oberrand weitgehend freilässt. Optisch wäre dies auch ohne Abart und trotz der im Text erwähnten Erhaltungsmaßnahmen schon ein weit über dem Durchschnitt liegendes Stück. Mit der Zähnungsabart aber ist diese Marke sicher einzigartig. Mir ist von diesen US-Ausgaben nichts Vergleichbares bekannt.

Gerd H. Hövelmann

AUFGELESEN: schwärzlichbläulichgrün oder grünlichbläulichschwarz?

Das schwärzlichgrünlichblaue Fettnäpfchen

Sie kennen die Fettnäpfchen? Natürlich, werden Sie sagen, jeder kennt sie. Man muss aufpassen um nicht hineinzutreten. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Ich stehe vor einem. Es ist bedauerlicherweise ziemlich groß und tief. Von unten schimmert es schwärzlichgrünlichblau herauf. Oder auch grünlichbläulichschwarz, vielleicht auch schwärzlichbläulichgrün. Es weht ein beträchtlicher Wind. Er kommt von vorne. Und ich werde springen. Zuvor aber möchte ich Ihnen noch etwas sagen.

Gerade sehe ich mir meine Sammlung von Germaniamarken an. Sie ist nicht besonders umfangreich, jeder zweite von Ihnen wird eine bessere haben. Ich freue mich an den vielen feinen Farbschattierungen, die es von dieser Marke gibt, und von denen ich auch eine ganze Reihe selbst in meiner kleinen Sammlung sehen kann. Zum Beispiel die 10 Pf-Marke in rot. Aber was heißt schon „rot“: Von dunklen, kräftigen, fast ins Rotviolett gehenden bis zu hellen, rosafarbenen Tönen finde ich viele Schattierungen. Ich nehme drei ähnliche, gestempelte Marken heraus, lege sie nebeneinander und vergleiche die Farben so genau ich es kann. Sie sehen absolut identisch aus. Für mich.

Nein, nein, sagt der Fachmann, völlig falsch! Die linke ist eine „a“-Farbe, eine dunkle Schattierung von „lebhaft- bis dunkelkarminrot (Töne)“, wohingegen die mittlere eine helle „c“-Farbe „lebhaftrotkarmin (Töne)“ ist. Die rechte dagegen, sagt er, sei nicht etwa einer der „Töne“ von „lebhaftrotkarmin“, mitnichten, sondern vielmehr „(lebhaft)karmin“ und damit eine „d“-Farbe. Das freut mich zwar, denn die letztere steht mit 110 Euro im Katalog, die „c“-Farbe bloß mit 2 Euro, aber hilflos bin ich schon, das muss ich zugeben. Ist mein Auge so unsensibel, dass ich nicht einmal den Unterschied von lebhaftrotkarmin und (lebhaft)karmin erkennen kann? Ich fürchte, das ist so. Ich bin eine fehlsichtige Blindschleiche. Immerhin, die Klammer beim Farbton „(lebhaft)karmin“ scheint zu bedeuten, dass diese Farbe nur ein wenig, also nur ein kleines bisschen lebhaft ist, also keinesfalls so lebhaft wie „lebhaftrotkarmin“, um Gottes willen, niemals!

Da sitze ich nun und bin verunsichert. Was soll ich mit solchen Bezeichnungen anfangen, vor allem, wenn im Katalog auch noch „Töne“ dahinter steht, was heißt, dass selbst eine ohnehin schon unverständliche Bezeichnung wie „schwärzlichgrauviolett bis schwarzbläulichviolett [dunkelviolett]“ (Michel 101a) immer noch keine eindeutige Farbdefinition ist? Es bedeutet – und damit trete ich schon gefährlich nahe an den Rand des Fettnäpfchens – dass derartig kryptische Farbbezeichnungen selbst für Spezialisten sinnlos sind, ja sein müssen, weil sie keine eindeutigen Definitionen darstellen, sondern Hilfsbezeichnungen von Menschen sind, die etwas mit einem Wort beschreiben wollen, was man nicht einmal annähernd mit einem Wort beschreiben kann.

Diese grässlichen Wortungetüme bezeichnen keine definierten und wiedererkennbaren Farbtöne. Selbst bei ganz einfachen und nur aus zwei Farben bestehenden Mischtönen gibt es unklare Bereiche. Ob etwas gelblichrot oder rötlichgelb ist, mag zwar an den äußeren Enden eines definierten Farbverlaufs eindeutig sein, aber gegen die Mitte zu, wo gelblichrot in rötlichgelb übergeht, wird es beliebig. Noch gelblichrot? Oder schon rötlichgelb? Da hilft auch kein Farbenführer, denn auch hier muss man sich für den „nächstliegenden“ Ton in der begrenzten Farbskala entscheiden und ob der „nächstliegende“ nun rechts oder links von einer Marke liegt, deren Farbe man bestimmen möchte, entscheidet subjektiv der Betrachter. Schlimmer bis unverständlich wird es bei aus drei Farben bestehenden Konstrukten wie etwa schwärzlichrosalila im Vergleich zu schwärzlichlilarosa. Mich erinnert das immer an die köstliche Farbberatungsszene aus Loriot´s Film „Ödipussi“: „Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau, Bleigrau, Zementgrau? … „Wir nehmen das Aschgrau“!

Natürlich sind Farbbestimmungen bei vielen Briefmarken wichtig und in manchen Fällen unerlässlich. Es geht mir mitnichten darum, dies infrage zu stellen. (Wer sich einen Überblick über die Problematik der Farbbestimmung verschaffen möchte, kann dies zum Beispiel auf der Webseite http://www.philhaha.de/farbbestimmung.html tun). Es geht auch nicht darum, die Berechtigung der zum Teil aberwitzigen Preisunterschiede von kaum oder gar nicht feststellbaren Farbvarianten zu diskutieren. Es geht vielmehr darum, inwieweit Farbbezeichnungen sinnvoll sind, die visuell nicht vermittelbar sind, weil sie nicht von benachbarten Farbbereichen eindeutig abgegrenzt werden können, und die damit in Grenzbereichen immer subjektive Einschätzungen, d.h. Zuordnungen, darstellen. Was aber ist eine „sinnvolle“ Farbbezeichnung?

Für denjenigen, der eine Farbsammlung einer Marke aufbauen möchte, ist eine möglichst differenzierte Unterscheidung einzelner Farbtöne natürlich wichtiger als für Sammler, die sich mit weniger, dafür aber verständlicheren Begriffen zufrieden geben (hellviolett, dunkelviolett, rötlichviolett, etc.). Aber wo verlaufen die Grenzen, die es rechtfertigen, in nicht eindeutigen Fällen einer Marke die eine oder die andere Farbbezeichnung zuzuordnen? Ich würde zum Beispiel gerne wissen, wie mir ein fortgeschrittener Farbsammler oder Experte die Zuordnung einer Marke aus dem Grenzbereich (!) zwischen den Farbtönen „dunkel- bis schwärzlichgelblichgrün“ und „schwärzlichgraugrün bis schwarzgrün [dunkelblaugrün]“ (Michel 143 b und c) begründet, und zwar visuell, also nicht, indem er nach umfangreichen Prüfungen und Messungen feststellt, dass Marke a) einen um 2% höheren Rotanteil gegenüber Marke b) aufweist, den man zwar mit bloßem Auge nicht sehen, aber mit Messungen eben beweisen kann. Ich wage zu behaupten: er kann seine Einstufung in vielen Fällen nicht eindeutig begründen. Sie ist subjektiv.

Ich stelle mir jetzt einen Sammler vor, der eine hoch-spezialisierte Farbsammlung einer einzigen Marke aufbauen möchte. Mit den entsprechenden Zusatzinformationen kann so etwas eine wunderbare und sehr interessante Sache sein. Aber doch nur, wenn das ein Betrachter mit geschultem Auge (das muss man selbstverständlich voraussetzen) auch sehen kann. Sind also Marken, deren Farben sich mit bloßem Auge gar nicht unterscheiden lassen und die vielleicht lediglich ein bisschen früher oder später aus der Druckerpresse gekommen sind, für eine Farbsammlung relevant, nur weil sie von irgendjemandem eine andere Katalognummer oder Farbbezeichnung bekommen haben? Oder ist es nicht etwa so, dass sich gerade ein Spezialist bei der farblichen Einstufung seiner Marken auf seine eigenen Augen verlässt, ganz egal ob eine Variante nun von einer Person als schwärzlichbläulichgrün und damit als geringbewertete Farbe a), von einer anderen aber als eher schwärzlichgrünlichblau und damit als hochpreisige Farbe b) bezeichnet wird? Ich hoffe es, aber ich weiß es nicht.

Wie gut habe ich es, dass ich aktiv keine Germaniamarken sammle, sondern (unter anderem) Marken von Widerstandsgruppen und Revolutionären. Da gibt es zum Beispiel eine Markenfälschung mit dem Porträt des französischen Politikers Philippe Pétain, die im II. Weltkrieg von einer Gruppe der Résistance hergestellt und auch postalisch gebraucht wurde. Die Marke ist unter wechselnden und schwierigen Bedingungen entstanden und es gibt sie daher auf verschiedenen Papieren und in verschiedenen Farbtönen von hellrotbraun bis dunkelrotbraun. Je dunkler ihr Farbton ist, umso seltener und teurer ist sie. Ganz einfach. Ich lege meine Marken nebeneinander. Es ist mir völlig egal, ob die eine hellgelblichrötlichbraun oder mittelrötlichbräunlichgelb ist, ich sehe ja den Unterschied und weiß daher, dass die eine etwas seltener als die andere und daher auch etwas teurer ist. Und wenn ich eine weitere kaufen will, tue ich dies ja nicht, weil sie als Nummer „45a“ oder „45aa“ angeboten wird, und auch nicht, weil ihre Farbe mit „schwärzlichrötlichbraun“ oder anders beschrieben ist, sondern weil ich sie anschaue und sehe (jawohl, sehe!), dass sie einen etwas anderen Farbton hat als die Exemplare, die ich schon habe. Wenn ich keinen Farbunterschied sähe, würde ich sie nicht kaufen, auch wenn mir ein Katalogeintrag oder ein Experte sagen würde, dass es die einzige bekannte Variante wäre, die mir noch fehlte.

„Ketzer! Banause!“ tönt es da von vielen Seiten, „das ist laienhaft und unwissenschaftlich! So einfach darf man es sich nicht machen! “ „Wieso nicht?“ rufe ich zurück und versuche den schweren Katalogen und Alben zu entkommen, die auf mich zu fliegen. Es ist höchste Zeit zu springen. Ein Platsch und ich bin verschwunden. Das Fett schimmert schwärzlichbläulichgrün bis grünlichbläulichschwarz. Ein verhaltenes Gurgeln noch, dann ist es still. Getragenerhabenvollkommenstill natürlich, nicht etwa vollkommenerhabengetragenstill oder gar erhabenvollkommengetragenstill! Nein, nein, das ist ein himmelweiter Unterschied, ich hoffe, Sie bemerken das! Nicht? Egal, jedenfalls ist es still. Gottseidank, werden manche sagen…

(Wolfgang Baldus, April 2014)

Erstveröffentlichung in der philatelie 6/2014

Die Kapitän W.Sachse-Sammlung

HAPAG – Die Erste Und Einzige Schiffspostmarke Des Deutschen Reiches

Kapitän W.Sachse, „Reedereioberinspektor a.D.“ – der Name ist verbunden mit so anspruchsvollen Gebieten wie den Hermesköpfen von Griechenland oder Helgoland. Beide Gebiete hat Sachse als Prüfer betreut und seine Signaturen haben bei kenntnisreichen Philatelisten damals wie heute Geltung.

Sachses Studien über die HAPAG-Marke waren aber bei Vielen unbekannt.

1929 veröffentlichte Sachse seine Erkenntnisse in der Philatelisten-Zeitung Gößnitz; danach war in der Fachpresse nichts mehr über dieses Objekt zu lesen.

Sachses Sammlung (die ja auch gleichzeitig seine analytischen Studien umfasste) blieb über 70 Jahre in ihrer ursprünglichen Form erhalten, und nur diesem Umstand ist es zu verdanken, dass wir heute Informationen über die Bogengrösse und das Druckverfahren dieser Marke besitzen.

Die Sammlung enthält:

  • Zwei Bogenteile zu jeweils 64 Marken
  • Ein Bogenteil zu 56 Marken
  • Ein Bogenteil zu 32 Marken (2.Auflage)
  • Ein Paar, senkrecht ungezähnt, und ein Einzelstück
  • insgesamt also 219 Marken ungebraucht bzw. meist postfrisch –
  • Einen gebrauchten Neunerblock – Vorausentwertung BUHROW SCHÜTT AGENTS
  • Sechs gebrauchte Exemplare
  • Drei Briefe und eine Vorderseite mit insgesamt sechs Marken

Sehen Sie sich diese einzigartige Sammlung in dieser PDF an.