Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (23) – Für 2 Schilling nach London ?

Für 2 Schilling nach London ?

Das klingt zwar etwas seltsam, doch es funktionierte – zumindest ab dem 16.September 1865.

Schon immer hatte die Hamburger Postverwaltung, die ja eine „Staats-Post“ war, dagegen gekämpft, dass ihre Monopolstellung unterlaufen wurde. Das passierte wohl besonders oft von Seiten der Hamburger Kaufmannschaft, die Briefe und Geschäftspapiere für ihre überseeischen Geschäftspartner gern direkt auf die ausgehenden Schiffe brachten oder durch „Forwarder“ bringen ließen. Der Hamburger Stadtpost gingen auf diese Art wichtige Einnahmen verloren, und in einer Senatsverordnung aus dem Jahre 1832 heißt es denn auch, dass „…Briefe über See … nicht ohne Vermittlung der Staats-Post-Anstalt versandt werden dürfen, und daß Entgegenhandlungen mit einer Strafe von 10 bis 20 Mark bedroht sind.“

Und nun, am 15.September 1866, erscheint folgende Bekanntmachung:

Der vorletzte Absatz ist wichtig:

„Zur Erleichterung des Verkehrs sollen indessen für die Zukunft Briefe, namentlich Conoissements, von den Absendern unmittelbar den Schiffs-Capitainen übergeben und von diesen mitgenommen werden dürfen, wenn die Briefe (Conoissements) in Post-Couverts à 2 Schilling gelegt und letztere nicht nur mit vollständiger Adresse, sondern neben den Werthzeichen auch mit dem Namen des Absenders und dem Datum der Absendung versehen sind.“

So sah das dann aus:

Man kann nur spekulieren, was der Grund für die Einführung dieser Sonderregelung war. Wollte der Hamburger Senat „seinen Kaufleuten Wind unter den Flügeln verleihen“, oder zeigte vielleicht die Lebenserfahrung, dass eine Kontrolle bzw. ein Vermeiden der privaten Postbeförderung auf die ausgehenden Seeschiffe letztlich nicht möglich war und man daher durch die Einführung der günstigen „2 Schilling-Rate“ wenigstens mit einem kleinen Teil an der Beförderung zu partizipieren versuchte (?). Beides dürfte nicht zutreffen. Der Grund ist eher in der Natur eines Konossementes (= Seefrachtbriefes) zu suchen. Begleitet dieser Frachtbrief die Ware, kann der Empfänger am Ausladeort die Ware  – nach Bezahlung von Einfuhrabgaben und Frachten – gleich in Empfang nehmen und muss sie nicht teuer zwischenlagern (lassen), bis das Konossement per Post (und das war ja die gängige Vorschrift!), vielleicht erst mit der nächsten Schiffsmöglichkeit, ankam. Jörn Olbrich beschreibt im Rundbrief Nr.82 (I/2010) sehr gut die besonderen Eigenheiten eines Konossementes.[1]

Letztlich war diese Möglichkeit, Geschäftspapiere – i.d.R. eben Konossemente – günstig und vor allem schnell zu befördern, nur gut 15 Monate gegeben, denn mit dem 31.12.1867 endete ja die Zeit der Hamburgischen Post.

Das Verfahren fand aber noch danach – in der Zeit des Norddeutschen Bundes bis zu den Anfangsjahren des Deutschen Reiches – Anwendung, wie Ingo v. Garnier im gleichen Rundbrief der Arbeitsgemeinschaft NDP, wie oben zitiert, nachweist. Die darin ebenfalls enthaltene Statistik der bekannten Briefe listet nur 8 (acht) Exemplare auf, davon vier Stücke aus der „Hamburg“-Zeit. Das sind immerhin zwei mehr als noch Carl H. Lange im Jahre 1935 in der „Festschrift“ konstatierte [2]; er kannte nur zwei Umschläge und schrieb damals „..diese beiden Umschläge dürften die einzigen existierenden Stücke sein.“

Die Umschläge, die ja „nur“ der Beförderung von Geschäftspapieren dienten (und nicht, wie die damals meist gebräuchlichen Faltbriefe noch geschäftliche oder private Mitteilungen enthielten) sind vermutlich meistens von den Empfängern weggeworfen worden, wenn sie nicht sowie schon durch die Beförderung der oft mehrseitigen dicken Konossemente in Mitleidenschaft gezogen waren.

 

[1] Rundbrief der ARGE Norddeutscher Postbezirk Nr.82 (I/2010), Autor Ingo von Garnier als Schriftleiter

[2] Carl H. Lange „Die Ganzsachen von Hamburg“ S.75-76 in: „Hamburg, seine Postgeschichte, Postwertzeichen und Poststempel..“ Festschrift des Vereins für Briefmarkenkunde zu Hamburg. Hamburg, 1935. Dort ist auch das oben gezeigte Stück beschrieben.

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (22): PART PAID – ein Hamburger Stempel ?

Teilfrankierte oder nicht ausreichend frankierte Briefe von Hamburg

Im Stempelhandbuch von Dr. Meyer-Margreth [1] sind zwei Stempel aufgeführt, die bei nicht ausreichend frankierten Briefen zur Anwendung kamen, und zwar der Stempel „Unzureichend frankirt“ in Schreibschrift und,  „…für Auslandsbriefe … ein Stempel in englischer Sprache …, ein Zweizeiler in Blockschrift INSUFFICIENTLY PAID“. Nun gibt es noch einen dritten Stempel, nämlich den Einzeiler in Blockschrift PART PAID, der mir nur auf wenigen Belegen bekannt geworden und bei „Meyer-Margreth“ nicht aufgeführt ist. Hier ist einer der prominentesten Briefe der ersten Markenausgabe; er stammt aus der Boker-Sammlung, die in den 1980er Jahren bei der Firma Köhler versteigert wurde:

Volker Parthen hat den Brief wie folgt beschrieben: „Der Brief war unterfrankiert (Das Porto hätte 14 Schilling betragen müssen) und wurde in England nachtaxiert und mit den Stempeln PART PAID (wahrscheinlich hamburger Stempel!) und MORE TO PAY versehen…“. [Anmerkung: am 9. März 1859 hätte das Porto für einen einfachen Brief nach England 9 Schilling betragen; eine Unterfrankatur von 1 Schilling erscheint mir – auf aufgrund der handschriftlichen Notiz „more to pay 1d“ –  wahrscheinlicher als eine Unterfrankatur von 6 Schillingen bei doppelter Gewichtsstufe (2x 7 Schilling), wie es Volker Parthen damals annahm.]

Ganz sicher über die Herkunft des PART PAID-Stempels war sich der Beschreiber nicht. Auf dem folgenden Brief ist meiner Meinung nach die Sache eindeutiger:

Und hier ist der Stempel PART PAID wohl auch in Hamburg draufgekommen:

 

Leider ist dies nur ein Brieffragment. Aber der Brief war garantiert unterfrankiert. In Birmingham hieß es dann „MORE TO PAY“, und zwar „1d.“, wie in Tinte vermerkt wurde.

Es handelt sich wohl doch um einen Hamburger Stempel, wie auch James van der Linden in seinem Attest für den Brief aus den USA darlegt. Den anderen „englischen Stempel“, den ich bereits oben erwähnt habe, sehen Sie hier:

Dieser Brief zeigt den INSUFFICIENTLY PAID – Stempel. Er wurde im Jahre 1864 geschrieben, also etwa 3-4 Jahre später als die oben gezeigten Beispiele des PART PAID Stempels. Ich könnte mir vorstellen, dass er den „Part Paid“-Stempel abgelöst hat, um vielleicht auch Verwechselungen mit dem ähnlichen  PAID PART -Stempel zu vermeiden, der eine gewollte Portoteilung dokumentiert. Beide Stempel sind im Stempelhandbuch der Arbeitsgemeinschaft [2] aufgeführt.

Das deutschsprachige „Pendant“ darf dann in der kleinen Dokumentation nicht fehlen:

Auch im Preußischen und im Thurn & Taxis`schen Postamt wurden ungenügend frankierte Briefe entsprechend behandelt:

Bezüglich der Zuordnung des Rahmenstempels folge ich der Meinung des großen Hamburg-Kenners, Walter Engel, der diesen Stempel eindeutig dem Preußischen Oberpostamt in Hamburg zuordnet.

Der Brief wurde im Briefkasten vorgefunden und dann vom Stadtpostamt an das Preußische Postamt weitergeleitet. „Reicht nicht“ wurde handschriftlich mit Tinte unter der Marke vermerkt und dann wurde noch der Rahmenstempel abgeschlagen, diesmal in schwarz.

Das Thurn & Taxis`sche Postamt machte es dann international – in Französisch, der amtlichen Sprache des Weltpostvereins:

Beide Briefe (aus den Jahren 1865 und 1866) wurden im Briefkasten vorgefunden und, da nicht ausreichend frankiert, mit dem Dreizeiler BOITE/AFFRANCHISSEMENT INSUFFISANT versehen. Der Empfänger wurde dann zur Kasse gebeten.

Aufgrund der diversen Währungen und Tarife, die bei den verschiedenen Postämtern in Hamburg zur Anwendung kamen, finden wir oftmals unter- oder überfrankierte Briefe,  die keinerlei postalische Vermerke bzw. Taxierungen aufweisen, sondern einfach „durchgeschlüpft“ sind. Briefe mit den oben beschriebenen Stempeln sind generell nicht häufig.

[1] Dr. Ernst Meyer-Margreth. Die Poststempel von Hamburg. Hamburg,1965

[2] Handbuch der Poststempel von Hamburg. Hrsg. Arbeitsgemeinschaft für Postgeschichte und Philatelie Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck e.V. Hamburg, 1982.

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (20): Am 1.Januar 1859 verausgabt Hamburg 7 verschiedene Wertstufen

Nun war es also soweit: Am 1.Januar 1859 erschienen die ersten Freimarken, und es waren gleich 7 (sieben) verschiedene Wertstufen. Das war (und blieb) bei den Deutschen Staaten einmalig, denn kein altdeutscher Staat hatte es bisher auf mehr als sechs verschiedene Wertstufen gebracht. In der schon im vorigen Kapitel zitierten Bekanntmachung der Postverwaltungsdeputation vom 27.Dezember 1858 wird genau aufgeführt, welche „Sorten“ es gab, welche Farbe diese haben und für welche Zwecke die einzelnen Werte zu gebrauchen waren. Die Bekanntmachung ist vollständig auf dieser Webseite hinterlegt; wer die Muße hat, sollte sich die einzelnen Bestimmungen einmal durchlesen.

Zunächst einmal: alle Freimarken wurden ohne Perforation gedruckt, was die Postabfertigung nicht unbedingt beschleunigt haben dürfte, und die Mindestabnahme betrug 8 Stück pro Sorte, nämlich eine komplette horizontale Reihe.

Durch Zufall  – und Übereinkunft – zur „Nummer 1“ in allen Katalogen wurde die kleinste Wertstufe zu 1/2 Schilling, schwarzer Druck. Zu verwenden war sie nur für die Frankierung von Zeitungen und Drucksachen; selbst die Brieftaxe für Ortsbriefe betrug 1 Schilling, und das noch bis zum Jahre 1865, bevor das Stadtbriefporto auf 1/2 Schilling abgesenkt wurde. Da die Hamburgischen Marken nie ungültig wurden, wäre natürlich die Verwendung als Ortsporto nach dem 1.1.1865 möglich gewesen, aber zu dem Zeitpunkt war ja schon die zweite, die gezähnte Ausgabe erschienen.

Der nebengesetzte Schmetterlingsstempel vom 2.Juli 1860 dokumentiert die zeitrechte Verwendung als Drucksachenfrankatur. Das Stück stammt aus der berühmten „Traber“-Sammlung.

Und damit geht es schon zur  nächsten Wertstufe, der Marke zu 1 Schilling braun. Dieser Wert wurde zum größten Teil im Ortsverkehr gebraucht, und die Vorräte wurden auch aufgebraucht, denn größere ungebrauchte Restbestände sind nicht erhalten geblieben.

Es gibt einige verschiedene Stempel, die auf der 1 Schilling-Marke zu finden sind:

Der erste Strichstempel war 57mm lang und ist eigentlich nur auf Briefen oder großen Briefstücken einmal komplett zu sehen:

Bei dem rechten Brief erwähnt das Attest bei der linken Marke eine kleine Druckzufälligkeit: „kleiner Punkt oben am M von HAMBURG“:

Die beiden anderen hier gezeigten Marken zeigen den Plattenfehler „Mi.Nr. 2 I“ . Kann sich aus der Druckzufälligkeit der Plattenfehler entwickelt haben? Über das Thema „Abarten“ beim Sammelgebiet Hamburg wird noch zu sprechen sein…

Zum Abschluss des Kapitels „1 Schilling“ noch etwas ganz Feines: Darstellung des 7-Schilling-Portos nach England durch 1x 1 plus 2x 3 Schilling. Buntfrankaturen der ersten Markenausgabe sind sehr selten; das „Publikum“ war angehalten, möglichst „passend“ zu frankieren, und der 7 Schilling-Wert war ja eigentlich vorhanden!

Jetzt geht die Post ab nach Lübeck!

Der 2-Schilling-Wert war für den Tarif nach Lübeck verausgabt worden.

…und von Lübeck nach Bremen. 3 Schilling war der Tarif dorthin, und erstaunlicherweise nur 6 Schilling nach New York, wenn denn der Brief direkt von Hamburg per Dampfboot befördert wurde.

Die Wertstufe zu 4 Schilling gibt es in zwei Farbnuancen: „gelbgrün“ und „bläulichgrün“. (Der „Michel“-Katalog macht es wissenschaftlich-komplizierter und bezeichnet die Farben als „dunkelgelblichgrün“ und „(dunkel)grünoliv“; das mag nun jeder seinem Gusto handhaben, ich bleibe bei den altbekannten Farbbezeichnungen, die jahrzehntelang in allen Attesten Gültigkeit hatten…)

 

 

Der 4-Schilling-Wert der 1859er Ausgabe auf Brief ist meiner Meinung nach das „Pièce de Résistance“, eben weil die Verwendungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt und das Postaufkommen nach Helgoland und nach Oldenburg nicht eben sehr hoch waren. Der 9-Schilling-Wert, zu dem wir gleich kommen, notiert in den gängigen Katalogen zwar ebenso hoch, ist aber deutlich häufiger anzutreffen.

7 Schilling war das Porto u.a. nach Amsterdam und nach London, nach Großbritannien allerdings erst ab dem 1.7.1859 (vorher kostete es 9 Schilling). Hamburg – London, das war seit Jahrhunderten eine „innige“ Beziehung; Kaufmannsbriefe zwischen beiden Städten beginnen mit den „Corsini“-Korrespondenzen. Ich habe diese schon in den „Aspekten zur Hamburger Postgeschichte Teil (1)“ ausführlich beschrieben. Mit Marken frankierte Briefe sind keine Raritäten, aber in ordentlicher Erhaltung kann man manchmal etwas länger suchen.

 

Last but not least – die Wertstufe zu 9 Schilling. Die wurde im ersten Halbjahr 1859 für die Korrespondenz nach England gebraucht, danach finden wir sie nur noch auf Übersee-Briefen. Es gibt von der Marke eine frühe Auflage, gedruckt in hellem Gelb, die späteren Ausgaben gehen in gelb-orange Farbtöne über. Diese Farbunterschiede sind seit langem bekannt, eine Unterscheidung in den Katalogen findet bei diesem Wert (im Gegensatz zur 4-Schilling-Marke, s.o.) nicht statt.

Ich mag diesen Brief aus einem besonderen Grund. Er stammt aus der berühmten „Berkefeld/Mesters“- Korrespondenz. Die meisten dieser Briefe wurden in der Anschrift verändert, und zwar überschrieb man „Berkefeld“ in „Wüstenkopf“. Das war Datenschutz in analoger Form, und vielleicht wollte man auch die Herkunft verschleiern… Hier ist ein Brief in ursprünglicher Form, taufrisch und über 100 Jahre vor Sonne geschützt in einem Archiv verwahrt.

Und wenn Sie mir bis hierher gefolgt sind, haben Sie „Hamburg komplett bis 1863“ gesehen. Dann kam im Jahre 1864 die Post nach Schleswig-Holstein und Dänemark dazu, die vom Stadtpostamt bewältigt werden musste, und die Postautomatisation in Form von perforierten (gezähnten) Marken nahm auch in Hamburg ihren Lauf.