AUFGELESEN: schwärzlichbläulichgrün oder grünlichbläulichschwarz?

Das schwärzlichgrünlichblaue Fettnäpfchen

Sie kennen die Fettnäpfchen? Natürlich, werden Sie sagen, jeder kennt sie. Man muss aufpassen um nicht hineinzutreten. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Ich stehe vor einem. Es ist bedauerlicherweise ziemlich groß und tief. Von unten schimmert es schwärzlichgrünlichblau herauf. Oder auch grünlichbläulichschwarz, vielleicht auch schwärzlichbläulichgrün. Es weht ein beträchtlicher Wind. Er kommt von vorne. Und ich werde springen. Zuvor aber möchte ich Ihnen noch etwas sagen.

Gerade sehe ich mir meine Sammlung von Germaniamarken an. Sie ist nicht besonders umfangreich, jeder zweite von Ihnen wird eine bessere haben. Ich freue mich an den vielen feinen Farbschattierungen, die es von dieser Marke gibt, und von denen ich auch eine ganze Reihe selbst in meiner kleinen Sammlung sehen kann. Zum Beispiel die 10 Pf-Marke in rot. Aber was heißt schon „rot“: Von dunklen, kräftigen, fast ins Rotviolett gehenden bis zu hellen, rosafarbenen Tönen finde ich viele Schattierungen. Ich nehme drei ähnliche, gestempelte Marken heraus, lege sie nebeneinander und vergleiche die Farben so genau ich es kann. Sie sehen absolut identisch aus. Für mich.

Nein, nein, sagt der Fachmann, völlig falsch! Die linke ist eine „a“-Farbe, eine dunkle Schattierung von „lebhaft- bis dunkelkarminrot (Töne)“, wohingegen die mittlere eine helle „c“-Farbe „lebhaftrotkarmin (Töne)“ ist. Die rechte dagegen, sagt er, sei nicht etwa einer der „Töne“ von „lebhaftrotkarmin“, mitnichten, sondern vielmehr „(lebhaft)karmin“ und damit eine „d“-Farbe. Das freut mich zwar, denn die letztere steht mit 110 Euro im Katalog, die „c“-Farbe bloß mit 2 Euro, aber hilflos bin ich schon, das muss ich zugeben. Ist mein Auge so unsensibel, dass ich nicht einmal den Unterschied von lebhaftrotkarmin und (lebhaft)karmin erkennen kann? Ich fürchte, das ist so. Ich bin eine fehlsichtige Blindschleiche. Immerhin, die Klammer beim Farbton „(lebhaft)karmin“ scheint zu bedeuten, dass diese Farbe nur ein wenig, also nur ein kleines bisschen lebhaft ist, also keinesfalls so lebhaft wie „lebhaftrotkarmin“, um Gottes willen, niemals!

Da sitze ich nun und bin verunsichert. Was soll ich mit solchen Bezeichnungen anfangen, vor allem, wenn im Katalog auch noch „Töne“ dahinter steht, was heißt, dass selbst eine ohnehin schon unverständliche Bezeichnung wie „schwärzlichgrauviolett bis schwarzbläulichviolett [dunkelviolett]“ (Michel 101a) immer noch keine eindeutige Farbdefinition ist? Es bedeutet – und damit trete ich schon gefährlich nahe an den Rand des Fettnäpfchens – dass derartig kryptische Farbbezeichnungen selbst für Spezialisten sinnlos sind, ja sein müssen, weil sie keine eindeutigen Definitionen darstellen, sondern Hilfsbezeichnungen von Menschen sind, die etwas mit einem Wort beschreiben wollen, was man nicht einmal annähernd mit einem Wort beschreiben kann.

Diese grässlichen Wortungetüme bezeichnen keine definierten und wiedererkennbaren Farbtöne. Selbst bei ganz einfachen und nur aus zwei Farben bestehenden Mischtönen gibt es unklare Bereiche. Ob etwas gelblichrot oder rötlichgelb ist, mag zwar an den äußeren Enden eines definierten Farbverlaufs eindeutig sein, aber gegen die Mitte zu, wo gelblichrot in rötlichgelb übergeht, wird es beliebig. Noch gelblichrot? Oder schon rötlichgelb? Da hilft auch kein Farbenführer, denn auch hier muss man sich für den „nächstliegenden“ Ton in der begrenzten Farbskala entscheiden und ob der „nächstliegende“ nun rechts oder links von einer Marke liegt, deren Farbe man bestimmen möchte, entscheidet subjektiv der Betrachter. Schlimmer bis unverständlich wird es bei aus drei Farben bestehenden Konstrukten wie etwa schwärzlichrosalila im Vergleich zu schwärzlichlilarosa. Mich erinnert das immer an die köstliche Farbberatungsszene aus Loriot´s Film „Ödipussi“: „Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau, Bleigrau, Zementgrau? … „Wir nehmen das Aschgrau“!

Natürlich sind Farbbestimmungen bei vielen Briefmarken wichtig und in manchen Fällen unerlässlich. Es geht mir mitnichten darum, dies infrage zu stellen. (Wer sich einen Überblick über die Problematik der Farbbestimmung verschaffen möchte, kann dies zum Beispiel auf der Webseite http://www.philhaha.de/farbbestimmung.html tun). Es geht auch nicht darum, die Berechtigung der zum Teil aberwitzigen Preisunterschiede von kaum oder gar nicht feststellbaren Farbvarianten zu diskutieren. Es geht vielmehr darum, inwieweit Farbbezeichnungen sinnvoll sind, die visuell nicht vermittelbar sind, weil sie nicht von benachbarten Farbbereichen eindeutig abgegrenzt werden können, und die damit in Grenzbereichen immer subjektive Einschätzungen, d.h. Zuordnungen, darstellen. Was aber ist eine „sinnvolle“ Farbbezeichnung?

Für denjenigen, der eine Farbsammlung einer Marke aufbauen möchte, ist eine möglichst differenzierte Unterscheidung einzelner Farbtöne natürlich wichtiger als für Sammler, die sich mit weniger, dafür aber verständlicheren Begriffen zufrieden geben (hellviolett, dunkelviolett, rötlichviolett, etc.). Aber wo verlaufen die Grenzen, die es rechtfertigen, in nicht eindeutigen Fällen einer Marke die eine oder die andere Farbbezeichnung zuzuordnen? Ich würde zum Beispiel gerne wissen, wie mir ein fortgeschrittener Farbsammler oder Experte die Zuordnung einer Marke aus dem Grenzbereich (!) zwischen den Farbtönen „dunkel- bis schwärzlichgelblichgrün“ und „schwärzlichgraugrün bis schwarzgrün [dunkelblaugrün]“ (Michel 143 b und c) begründet, und zwar visuell, also nicht, indem er nach umfangreichen Prüfungen und Messungen feststellt, dass Marke a) einen um 2% höheren Rotanteil gegenüber Marke b) aufweist, den man zwar mit bloßem Auge nicht sehen, aber mit Messungen eben beweisen kann. Ich wage zu behaupten: er kann seine Einstufung in vielen Fällen nicht eindeutig begründen. Sie ist subjektiv.

Ich stelle mir jetzt einen Sammler vor, der eine hoch-spezialisierte Farbsammlung einer einzigen Marke aufbauen möchte. Mit den entsprechenden Zusatzinformationen kann so etwas eine wunderbare und sehr interessante Sache sein. Aber doch nur, wenn das ein Betrachter mit geschultem Auge (das muss man selbstverständlich voraussetzen) auch sehen kann. Sind also Marken, deren Farben sich mit bloßem Auge gar nicht unterscheiden lassen und die vielleicht lediglich ein bisschen früher oder später aus der Druckerpresse gekommen sind, für eine Farbsammlung relevant, nur weil sie von irgendjemandem eine andere Katalognummer oder Farbbezeichnung bekommen haben? Oder ist es nicht etwa so, dass sich gerade ein Spezialist bei der farblichen Einstufung seiner Marken auf seine eigenen Augen verlässt, ganz egal ob eine Variante nun von einer Person als schwärzlichbläulichgrün und damit als geringbewertete Farbe a), von einer anderen aber als eher schwärzlichgrünlichblau und damit als hochpreisige Farbe b) bezeichnet wird? Ich hoffe es, aber ich weiß es nicht.

Wie gut habe ich es, dass ich aktiv keine Germaniamarken sammle, sondern (unter anderem) Marken von Widerstandsgruppen und Revolutionären. Da gibt es zum Beispiel eine Markenfälschung mit dem Porträt des französischen Politikers Philippe Pétain, die im II. Weltkrieg von einer Gruppe der Résistance hergestellt und auch postalisch gebraucht wurde. Die Marke ist unter wechselnden und schwierigen Bedingungen entstanden und es gibt sie daher auf verschiedenen Papieren und in verschiedenen Farbtönen von hellrotbraun bis dunkelrotbraun. Je dunkler ihr Farbton ist, umso seltener und teurer ist sie. Ganz einfach. Ich lege meine Marken nebeneinander. Es ist mir völlig egal, ob die eine hellgelblichrötlichbraun oder mittelrötlichbräunlichgelb ist, ich sehe ja den Unterschied und weiß daher, dass die eine etwas seltener als die andere und daher auch etwas teurer ist. Und wenn ich eine weitere kaufen will, tue ich dies ja nicht, weil sie als Nummer „45a“ oder „45aa“ angeboten wird, und auch nicht, weil ihre Farbe mit „schwärzlichrötlichbraun“ oder anders beschrieben ist, sondern weil ich sie anschaue und sehe (jawohl, sehe!), dass sie einen etwas anderen Farbton hat als die Exemplare, die ich schon habe. Wenn ich keinen Farbunterschied sähe, würde ich sie nicht kaufen, auch wenn mir ein Katalogeintrag oder ein Experte sagen würde, dass es die einzige bekannte Variante wäre, die mir noch fehlte.

„Ketzer! Banause!“ tönt es da von vielen Seiten, „das ist laienhaft und unwissenschaftlich! So einfach darf man es sich nicht machen! “ „Wieso nicht?“ rufe ich zurück und versuche den schweren Katalogen und Alben zu entkommen, die auf mich zu fliegen. Es ist höchste Zeit zu springen. Ein Platsch und ich bin verschwunden. Das Fett schimmert schwärzlichbläulichgrün bis grünlichbläulichschwarz. Ein verhaltenes Gurgeln noch, dann ist es still. Getragenerhabenvollkommenstill natürlich, nicht etwa vollkommenerhabengetragenstill oder gar erhabenvollkommengetragenstill! Nein, nein, das ist ein himmelweiter Unterschied, ich hoffe, Sie bemerken das! Nicht? Egal, jedenfalls ist es still. Gottseidank, werden manche sagen…

(Wolfgang Baldus, April 2014)

Erstveröffentlichung in der philatelie 6/2014

Die Kapitän W.Sachse-Sammlung

HAPAG – Die Erste Und Einzige Schiffspostmarke Des Deutschen Reiches

Kapitän W.Sachse, „Reedereioberinspektor a.D.“ – der Name ist verbunden mit so anspruchsvollen Gebieten wie den Hermesköpfen von Griechenland oder Helgoland. Beide Gebiete hat Sachse als Prüfer betreut und seine Signaturen haben bei kenntnisreichen Philatelisten damals wie heute Geltung.

Sachses Studien über die HAPAG-Marke waren aber bei Vielen unbekannt.

1929 veröffentlichte Sachse seine Erkenntnisse in der Philatelisten-Zeitung Gößnitz; danach war in der Fachpresse nichts mehr über dieses Objekt zu lesen.

Sachses Sammlung (die ja auch gleichzeitig seine analytischen Studien umfasste) blieb über 70 Jahre in ihrer ursprünglichen Form erhalten, und nur diesem Umstand ist es zu verdanken, dass wir heute Informationen über die Bogengrösse und das Druckverfahren dieser Marke besitzen.

Die Sammlung enthält:

  • Zwei Bogenteile zu jeweils 64 Marken
  • Ein Bogenteil zu 56 Marken
  • Ein Bogenteil zu 32 Marken (2.Auflage)
  • Ein Paar, senkrecht ungezähnt, und ein Einzelstück
  • insgesamt also 219 Marken ungebraucht bzw. meist postfrisch –
  • Einen gebrauchten Neunerblock – Vorausentwertung BUHROW SCHÜTT AGENTS
  • Sechs gebrauchte Exemplare
  • Drei Briefe und eine Vorderseite mit insgesamt sechs Marken

Sehen Sie sich diese einzigartige Sammlung in dieser PDF an.

Wer war Ewald Müller-Mark?

Ewald Müller-MarkAltdeutschland-Sammlern ist der Name bekannt – in erster Linie durch das berühmte und bis heute unübertroffene Werk „Altdeutschland unter der Lupe“, das erstmals im Jahre 1935 erschien.

So herausragend Müller-Mark als Fachautor war, so wenig ruhmreich verlief sein Leben als Briefmarkenhändler. Eine ganz vorzügliche Biographie von Michael Ullrich, AIJP, erschien in der Zeitschrift philatelie Nr. 411 vom September 2011 unter dem Titel „Ein Markenkenner auf tragischen Abwegen“.

Hier nur ein ganz kurzer chronologischer Abriss, der bereits zeigt, mit welchen „philatelistischen Grosskalibern“ es Ewald Müller-Mark bereits in seinen frühen Jahren zu tun hatte:

Er wurde am 3.2.1902 in Berlin geboren.

Von der Pike auf diente er der Berufsphilatelie. Das waren seine Stationen:

1919-1920 im Marken- und Ganzsachenhaus (Berlin)
1920-1925 bei M. Kurt Maier (Berlin)
1925-1926 in Luzern bei Bela Sekula
1926-1930 Geschäftsführer der Markenmetropole Werner Franke (Berlin)
1930-1941 Prokurist im Hause Rudolf Rohr (Berlin)
Ab 1941 selbständig in Berlin.

 

Ewald Müller-Mark starb am 7.Mai 1984 in Berlin

Sein Standardwerk „Altdeutschland unter der Lupe“ ist bis heute international bekannt. Er selbst sagte dazu: „Es wurde nicht geschrieben für die wenigen Überspezialisten, sondern für jeden, der seine Marken (und das Geld, das er dafür ausgibt) lieb hat und für jeden, der Kenntnisse sammeln, erweitern und vertiefen möchte. Es ist die Prüfungsstelle im Hause!“

Erstmals erschien „Altdeutschland unter der Lupe“ im Jahre 1935. Danach folgten 4 weitere Auflagen. Das Werk erhielt viele Auszeichnungen und Diplome, darunter den Sieger-Preis für philatelistische Literatur.. Einer der ganz grossen Altdeutschland-Sammler – es war John Boker – sagte über Ewald Müller-Mark: „Ein wirklicher Kenner der gesamten Altdeutschland-Philatelie. Vor seinem Wissen muss man den Hut ziehen.“

Es ist bis heute weitgehend unbekannt, dass Ewald Müller-Mark schon lange Pläne für ein zweites Projekt „Altdeutschland unter Lupe II“ im Schreibtisch hatte.

Dazu schreibt uns Wolfgang Jakubek, der bekannte Auktionator („Mister Mauritius“), Prüfer und Fachautor:

Als 1935 die erste Auflage seines bahnbrechenden Grundlagenwerkes erschien, hatte Ewald Müller-Mark bereits Pläne für ein zweites „Altdeutschland unter Lupe“. Es sollte völlig anders werden, doch sein Projekt gelangte nie zur Ausführung. Nach seinen Wünschen und Vorstellungen sollte das neue Werk so aussehen, wie es das von ihm im Jahre 1975 verfasste Exposé beschreibt, das wir Ihnen hier im Original zeigen:

Bereits 10 Jahre zuvor hatte das Berliner Auktionshaus Schätzle & Jakubek den Müller-Mark-Verlag gekauft. Was wir damals kauften, waren die Rechte betreffend „Altdeutschland unter Lupe“ und des Müller-Mark Spezial-Albums Altdeutschland. Sämtliche Bestände an Büchern und Alben gehörten dazu. Etwa ein Jahr später verkauften Schätzle & Jakubek den Verlag. Käufer war der Berliner Architekt und Baumeister Edgar Kuphal.

Ewald Müller-Mark verlies Berlin Ende der 1970er Jahre. Die Zeit nach dem Tod seiner Frau hatte ihn stark verändert. Ewald ging nach Japan!

Sein Sohn war in Tokio ein sehr gefragter Dolmetscher, der sich in den fernöstlichen Kulturkreis perfekt integriert hatte. Er war mit einer Japanerin verheiratet und hatte eine Familie mit zwei Kindern. In dieser für Ewald völlig fremden Welt wollte er künftig leben. Das musste schiefgehen, und es ging auch schief. Er kam nach nach Berlin zurück, „um hier zu sterben“, wie er sagte. Letztlich war es dann auch so. Bei unserem letzten Treffen gab er mir seine Arbeiten mit den Worten: „Mach was Vernünftiges damit!“. Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten seine Arbeit hier und da ergänzt, das war alles. Vielleicht aber macht ein künftiger Besitzer „etwas Vernünftiges“ damit. Eine Dokumentation, so wie sie sich Ewald Müller-Mark vorstellte, wäre eine schöne Sache für die Altdeutschland-Philatelie.

Wolfgang Jakubek, im Mai 2013

PS: Einen Satz aus meinem letzten Telefongespräch mit Ewald sollen Sie noch hören – es zeigt seine privaten Gefühle. Zum Schluss unseres Gespräches sagte er in seinem Berliner Jargon: „Weeste, Wolfjang, det Leben ist wirklich komisch. Ick hab een Sohn und der ist Japaner“….

Anlässlich der SCHWANKE-SPECIALs wurde im November 2013 nun das Ewald Müller-Mark „Auktions-Archiv“ – ALTDEUTSCHLAND versteigert. Aufzeichnungen bis zum Jahre 1908 zurück, wie ein Lexikon geordnet.

Geballtes Wissen in 28 Bänden!