Bulletin

Rares und Kurioses (7)

Martinas weiter Wurf

Wir alle kennen das nur zu gut und haben es schon bis zum Überdruss mit eigenen Augen sehen müssen: Als „Sammlung Alle Welt“ wird manches Markengewusel gerne von kenntnisarmen Zusammenträgern tituliert, das dann von Händlern, Auktionatoren und anderen Erfahreneren nur (und allenfalls) mit ganz spitzen Fingern weitergereicht wird. Meist handelt es sich um umfangreiche Konglomerate von Steck- und Vordruckalben, in die der Sammler, nicht selten von Kindesbeinen an, alles dasjenige länderweise und in der Regel katalogunsicher einsortiert hat, was vor seinem Pinzettenzugriff nicht mehr zu retten war. Solche Objekte dokumentieren wenigstens dreierlei: Dem betreffenden Sammler fehlte es – außer an einem hinreichenden Kontostand und an ein wenig Mut – vor allem an den für die Sammlungsanlage erforderlichen philatelistischen und Markt-Kenntnisse. An den so entstandenen „Sammlungen“ kann man dieses Manko unschwer ablesen. Ich weiß, wovon ich rede: Ich habe gerade ein solches Objekt in meinem Büro herumstehen: zwei riesige Umzugskartons, gefüllt mit teueren Vordruck- und wohlfeilen Steckalben, dazu dann die üblichen Markenwüsten in Zigarrenkisten und Tupperware, in Tütchen und Umschlägen sowie abenteuerlich-bunte Zusammenstellungen mit Titeln wie „250 Verschiedene von Ganz-Weit-Weg“.

Manches ist in solchen Objekten durchaus sauber und ordentlich gesteckt und macht auf die Gattin und andere Nichtphilatelisten einen wenigstens aufgeräumten Eindruck. Aber der Kenner blättert dieses ganze Gewese mit zunehmendem Tempo und Schrecken durch, nur um dabei festzustellen, dass diese „Kollektion“ unter peinlichster Vermeidung jeglicher auch nur potentiell wertträchtiger Briefmarke angelegt worden ist. Zwei prall gefüllte Umzugskisten – und der Heizwert liegt erkennbar über dem Handelswert! Bund, Berlin und DDR von 1960 bis 1980 bilden die „Lichtblicke“ dieses verzweiflungswürdigen Bestands. Oft hoffnungslos ist dann der Versuch, die Eigentümer sachlich über den Unwert ihres Erbes aufzuklären, Eigentümer, die einfach nicht begreifen können, dass „der Vater“ nicht wirklich wusste, was er tat. Die beiden Kisten in meinem Büro wären mit zusammen 50 Euro völlig ausreichend bezahlt. Aber ich traue mich nicht, sie jemandem anzubieten.

Zeugnis philatelistischer Umsicht und Klugheit

Anders – und zwar sehr grundlegend anders – präsentiert sich ein sicher ebenfalls mit „Kollektion Alle Welt“ oberflächlich zutreffend bezeichneter Bestand von ausgesucht guten Ländersammlungen von allen Kontinenten, der die aktuelle Schwanke-Auktion eröffnet: Sammlungen Alle Welt, aus zahlreichen verschiedenen Ländern – oft sehr gut bestückt und (soweit die Ferndiagnose ein solches Urteil erlaubt) nahezu ohne Ausschuss. Von deutschen und europäischen Sammelgebieten, aber selbst auch aus entlegeneren Weltgegenden – etwa kleineren Staaten Südamerikas, der Karibik, Afrikas, Südostasiens oder Ozeaniens bis hin zu aller Herren Inselchen – sind sehr solide ausgebaute, qualitativ und in der Regel auch wertmäßig gutklassige und ausgewogene Länder- und Gebietssammlungen vorhanden, sehr häufig beginnend mit der jeweiligen klassischen Markenerstausgabe (MiNrn. 1 und folgende). Diese Einzelobjekte, mit tätigem Phila-Verstand angelegt, sind offensichtlich allesamt reich- und werthaltig genug, um jeweils für sich alleine bestehen und entsprechend separat angeboten werden zu können. Über welche „Alle-Welt-Sammlungen“ kann man schon Vergleichbares sagen?

Auf diese Weise, mit dieser länderweisen Portionierung und mit dieser qualitativen Klasse (über die auch die vielen Zusatzabbildungen der Schwanke-Website attraktiven Aufschluss geben), kommen auktionseröffnend exakt 365 Einzelsammlungen und –partien per Sonderkatalog auf den Laufsteg der Hamburger Auktion. Gemeinschaftlich bringen diese Positionen es auf eine Gesamtschätzung von immerhin mehr als 210.000 Euro (575 Euro/Los im Durchschnitt). Da praktisch jedes dieser werthaltigen, oft auch mit besseren Doubletten und mit begehrten Spezialitäten bestückten Einzelobjekte zur detaillierteren Auflösung durch den Handel oder zum weiteren Ausbau durch den Sammler geeignet scheint, darf man getrost vermuten, dass der Gesamterlös dieser schönen Partien ihrem Schätzwert beträchtlich davonlaufen wird.

Genau 365 Einzelpartien könnten sicherlich dazu verführen, den Gesamtbestand, entsprechend dem kalendarischen Verlauf, als „Jahreslauf-Sammlung“ (oder irgendwie ähnlich, aber im selben Sinne) zu bezeichnen. Das mag, falls es denn überhaupt jemals ernsthaft erwogen wurde, daran gescheitert sein, dass wohl der Einlieferer selbst eine eher noch sympathischere Bezeichnung gefunden hat: Der Bestand trägt nun den Namen „Sammlung Martina, Philatelie weltweit“ – mutmaßlich der erste nennenswerte Name Sale der Auktionsgeschichte, der nach einem Kind im Vorschulalter benannt ist. Denn Martina heißt die 4-jährige Enkelin des Einlieferers, und der Versteigerungserlös soll dereinst die Ausbildung der jungen Dame gewährleisten. Die kleine Martina sollte sich schon jetzt mit kräftigen Lobpreisungen ihres Großvaters nicht zurückhalten. Angesichts des zu erwartenden Erlöses muss uns jedenfalls um Martinas Zukunft nicht bange sein. Der Verkaufserlös dürfte – und von akademischen Bildungsgängen verstehe ich etwas – bei solidem Lebenswandel beispielweise selbst für die Ausbildung an einer der amerikanischen Elite-Universitäten ausreichen. – Lassen Sie uns also schauen, dass aus dem Kind was wird…

Was ich sonst noch sagen wollte

Über die Freude an kleinen gediegenen Qualitäts-Ländersammlungen soll nicht vergessen werden, dass im Schwanke-Angebot auch für diejenigen schönstens gesorgt ist, die statt gleich mit ganzen Sammlungen lieber mit wenigen und im Extremfall nur mit einer einzigen, dann vergleichsweise wertvollen Briefmarke zufriedenzustellen sind. Dafür bietet die Auktion reichlich Gelegenheit und eine ansprechende Auswahl.

Der Reigen beginnt u.a. mit recht gehaltvollen Offerten mehrerer Dutzend Einzellose von Albanien und Äthiopien (Gesamtpreisansatz über 14.000 Euro €) und geht beispielsweise über ein gutes Sortiment von rund einem Dutzend Losen (Zungenwerte) Finnlands, Dänemarks MiNr. 2I auf gutem Brief (2000 €), eine Kabinett-Einzelfrankatur von Portugals 50 Reis der Erstausgabe (4000 €), je eine 54 und 108 Parale des Fürstentums Moldau (2000 bzw. 7000 €), eine seltene MiNr. 3 Type II der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft auf Brief (4500,-), eine den Titel des Hauptkatalogs zierende spektakuläre Fünffarbenfrankatur der Österreichischen Post in der Levante (7500,- €), eine gute dreifarbige Frankatur von Modena (3000,- €), eine rare teilgezähnte „10 Centesimi bistro“ (MiNr. 9bUu) Italiens (4000,-€) und Parmas Erstling auf kompletter Zeitung (2000,- € / von MICHEL mit lustigen 54,000 € bewertet) bis hin zu Liechtensteins ungebrauchter Dienstmarke MiNr. D5B mit sehr seltener Zähnung (3000,-€).

Gefallen könnte manch Einer sicher auch an einem illustrierten, kolorierten und mit einem Ganzsachen-Ausschnitt frankierten Karikatur-Umschlag von der britischen Insel finden, den wir, eben weil er so gefällig ist, hier ebenfalls im Bild zeigen möchten (700,-).

Nicht unbedingt auf der Raritäten-, ganz sicher aber auf der Kuriosa-Seite werden wir wohl ein größeres Briefstück aus Chile mit nicht weniger als drei waagerechten und einer senkrechten Halbierung der 10 Centavos, MiNr. 2I, einzuordnen haben. Wenn wir uns nicht einen wirklich exzentrischen Bediensteten im Postamt CALDERA ausmalen wollen, dann müssen wir wohl annehmen, dass der Kollege dort Markenhalbierungen nicht „nach Bedarf“, sondern „auf Vorrat“ hergestellt hat, die der dann – eben doch im Bedarfsfall – wieder zu einer portorichtigen Frankatur zusammengeflickt haben wird.

Hawaii (inkl. besserer Ganzbogen oder Bogenteile) und China (frühe Ausgaben ebenso Kulturrevolution) sind ebenfalls mit interessanten Offerten vertreten. Und wer es gerne sehr günstig (75,-) und dennoch attraktiv und postgeschichtlich ein wenig rätselhaft mag, der ist mit einer hübschen Ganzsache Jaipurs mit Zusatzfrankatur sicherlich gut bedient (hilfreich wäre freilich, wenn man ein wenig Bengali verstünde). Weniger rätselhaft, dafür um Einiges kostspieliger ist dagegen ein seltener Doppelaufdruck auf einer ungebrauchten MiNr. 18 von den Cayman Islands (8000,-) – sicher gibt es dafür auf der Ursprungs-Insel ein passendes Schließfach.

Aus deutschen Landen schließlich, um die nicht ganz aus dem Blick zu verlieren, bietet der Hauptkatalog der anstehenden Schwanke-Auktion im Einzellos-Teil manches interessante Stück, das der eigenen Sammlung sicher zur Zierde gereichen könnte. Ich denke dabei beispielsweise  an einen bemerkenswerten, seltenen und außerdem schönen Incoming-Brief nach Braunschweig aus Neusüdwales aus Jahr 1864 – er ist praktisch einmal um den Globus gereist und ist dennoch kein Allerwelts-Brief (Los 2004, 1500,- €).

Hinzu kommt ein im mittleren Preisbereich starker deutscher Kolonienteil, darunter eines von nur fünf bekannten gestempelten Exemplaren der MiNr. 18F der Britischen Besetzung Togos, ein Top-Stück, für 8000,- €. Mehr als ein Dutzend Exemplare der Oppelner Notausgaben mit relativ neuen Gruber-Prüfungen werden, da bin ich sicher, ebenfalls Interesse finden.

Und zuguterletzt treffen wir uns ja vielleicht noch auf ein „Gesundheitsbier“ (siehe „Hamburger Luxusbriefchen von 1865“, Los 2084, Rückseite)!

Gerd H. Hövelmann

Rares und Kurioses (6)

Sieh nur, wie ich schwanke, Schwanke!

Never make fun on a name!“, lautet eine der eisernen Regeln für jeden Autor, der ernst genommen werden möchte. Jahrzehntelang habe ich mir in dieser Hinsicht nichts zu Schulden kommen lassen. Heute aber erlaube ich mir, ausnahmsweise ein wenig über die Stränge zu schlagen, denn selten war die Verlockung so groß; eine Verlockung aber, für die ich wiederum jede Verantwortung von mir weisen muss.

Schuld ist vielmehr der launige Entwerfer eines kuriosen Briefmarken-Motivs: jener letzten „überlebenden“, obwohl noch nicht einmal amtlich verausgabten Marke der (heute) brasilianischen Provinz ACRE. Das spektakuläre Markenbild gibt der allgemeinen Aufmerksamkeit u.a. eine tanzende, jauchzende und eben bedenklich schwankende Schildkröte als auffälligstes von mehreren Utensilien eines regional bedeutungsträchtigen, ja dokumentarischen Motiv-Inventars preis. Da wir einer biederen Schildkröte keine unmäßige Neigung zum Alkohol unterstellen möchten, können wir nur vermuten, dass sie sich an einigen der lokal reichlich verbreiteten halluzinogenen Pilze gütlich getan haben muss. Wie sonst sollten wir uns dieses luftig dahintänzelnde Reptil plausibel machen? Gewiss, es gibt lokale Erzähltraditionen. Wir aber stellen uns lieber einen verschmitzten, bestens gelaunten Marken-Designer vor und bekunden ihm unsere Anerkennung für „the funniest stamp design ever“.

Auktionator Hans-Joachim Schwanke selbst hat sowohl in seiner Auktionsvorschau als auch in seiner Losbeschreibung bereits alles faktisch Sagens- und Wissenswerte über die charmante „tanzende Schildkröte“ von ACRE mitgeteilt – jedenfalls soweit es die Philatelie, die internationale Postgeschichte und die Entstehungsbedingungen dieses enorm seltenen Zeugnisses lateinamerikanischer Kultur und Markenkunst betrifft. Dazu habe ich nichts Prinzipielles mehr beizusteuern – es sei denn, wir dürften uns angesichts dieses äußerst ungewöhnlichen Markenbildes eine weitere Ausschweifung erlauben.

Lassen Sie mich also fragen: Hat unsere Schildkröte vielleicht auch noch weitere kulturelle Spuren hinterlassen? Ich frage nur, ich behaupte nichts. Aber wie haben wir uns all die Jahre gewundert, wie die Zeichner Kevin Eastman und Peter Laird damals (1984 war’s) nur auf den abstrusen, gar nicht offenkundig lustigen Gedanken verfallen sind, Schildkröten in traditionell asiatische, aber schildkrötgrün eingefärbte Ninja-Kostüme zu zwängen, ihnen Schwerter umzubinden und sie ferner den bipeden (d.i. zweifüßigen), aufrechten Gang zu lehren. Erst jetzt, angesichts der nicht einmal amtlich gewordenen Marke von ACRE, liegt der motivliche Urgrund für die Comic-Serie offen zutage. Oder haben Sie jemals eine Schildkröte beobachtet, die sich ohne zusätzliche Stütze nicht nur auf die Hinterbeine stellt, sondern stabile Tanzschritte ausführt? Irgendwann und irgendwo müssen die Zeichner – vielleicht, vielleicht – eines von kaum einem halben Dutzend Exemplaren der Marke, die die Zeitläufte überdauert haben, zu Gesicht bekommen haben. Daraus haben sie dann, so fantasiere ich es mir freihändig zurecht, erfolgreich und letztlich kinotauglich Comics und Filmdrehbücher entwickelt. Aus so einer starken Voraussetzung erklärt sich für mich zwanglos die Erfindung und Existenz der nervigen Ninja Turtles.

Damit zurück zum Ernst des Lebens und der Philatelie. Die Wirkkraft eines bildlichen Motivs – so meine These – wächst mit der Zahl der Geschichten, Historien und Fantasien, die sich mit diesem Motiv verknüpfen lassen. Auch in dieser Hinsicht kann sich die tanzende Schildkröte von ACRE wirklich sehen lassen: Ich könnte aus dem Stand ein halbes Dutzend Geschichten erfinden und sie mit ihr in Verbindung bringen. Der Kulturwissenschaftler bezeichnet ein so deutungsvariables Objekt als „mythogen“ – als ein Objekt also, das ohne viel Federlesens seine eigenen, interkulturell verständlichen Mythen hervorbringen kann. Dass das auch unserer tanzenden Schildkröte gelungen sein könnte, ist mittelfristig vielleicht sogar eines der besten Argumente für den Erwerb dieser Marke als eines folgenträchtigen kulturhistorischen Dokuments. Abschließend möchte ich eine gewisse Bewunderung für die verrückte Idee des Markenentwerfers nicht verbergen: eine tänzelnde, sich biped auf den Hinterbeinchen fortbewegende Schildkröte wäre, falls authentisch, eine evolutionsbiologische Sensation, die ihren Entdeckern unvergänglichen Ruhm bescheren würde.

Ist der erste Gedanke immer der beste?

Dass angesichts eines Problems oder einer Fragestellung der erste Gedanke stets der beste sei, wird häufig und in überzeugter Tonlage behauptet. Die folgende Schilderung lässt daran allerdings Zweifel aufkommen; sie fällt im übrigen unter die Rubrik “Wahre Geschichten, die einem doch keiner glaubt”. Nicht nur auf Briefmarken und Briefe, ist sie ohne weiteres anwendbar. Die „Moral von der G’schicht“ lesen Sie am Ende dieses Abschnitts.

Das Vanille-Auto

Folgende Lehrgeschichte habe ich vor ein paar Jahren aus den USA mitgebracht. Was sie mit Philatelie zu tun hat, wird sich im weiteren Verlauf zeigen. Ob die Geschichte tatsächlich wahr ist (wie versichert wird) oder nur klug erfunden, ist nicht von Belang.

Der Präsident der Automobil-Firma Pontiac (heute Teil von General Motors) erhielt einen Beschwerdebrief. Dieser hatte (in meiner Übersetzung) den folgenden Wortlaut:

„Ich schreibe Ihnen nun schon zum zweiten Mal. Ich kann es Ihnen aber nicht wirklich verdenken, dass Sie mir bisher nicht geantwortet haben, denn meine Geschichte klang wohl ziemlich verrückt. Es ist jedoch eine Tatsache, dass wir nach alter Familientradition jedes Abendessen mit einem Eiskrem-Dessert beschließen. Die Eissorte wechselt täglich. Wir stimmen jeweils darüber ab, und ich fahre dann zum Eis-Café, um das Eis zu kaufen. Außerdem müssen Sie wissen, dass wir kürzlich einen neuen Pontiac gekauft haben. Seitdem bereiten meine Wege zur Eisdiele jedoch ernste Probleme. Sehen Sie, jedesmal wenn ich Vanille-Eis kaufe und ich mich auf den Rückweg machen will, springt mein Auto nicht mehr an. Kaufe ich eine beliebige andere Eissorte, macht das Auto keine Probleme. Sie sollten verstehen, dass mir diese Anfrage ganz ernst ist, so unsinnig sie auch klingen mag. Also – was ist los mit meinem Pontiac, der nicht startet, wenn ich Vanille-Eis kaufe, der aber sofort anspringt, wenn ich eine andere Eissorte oder irgendetwas anderes kaufe?

Der Pontiac-Präsident war angesichts dieses Briefes verständlicherweise ein wenig irritiert, schickte aber dennoch einen lokalen Techniker des Unternehmens vorbei. Dieser war angesichts der bisherigen Geschichte erstaunt, auf einen geschäftlich erfolgreichen, stockseriösen und offenbar gebildeten Klienten in einer guten Wohngegend zu treffen. Er hatte sich mit ihm für die Zeit gleich nach dem Abendessen bei der Eisdiele verabredet. Die Familie hatte für Vanille-Eis gestimmt und, klar, als sie zum Auto zurückkamen, versagte dieses den Dienst. Der Pontiac-Techniker fand sich auch in den folgenden drei Tagen wieder ein. Am ersten Abend kaufte er Schokoladen-Eis – kein Problem mit dem Anlasser. Am zweiten Abend wählte er Erdbeer-Eis – der Wagen sprang sofort an. Vanille-Eis gab es am dritten Abend – das Auto rührte sich nicht.

Natürlich glaubte der Techniker, ein logisch denkender Mann, keinen Moment daran, dass das Auto allergisch auf Vanille-Eis reagieren könnte. Er besuchte die Familie daher auch in den folgenden Tagen, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Er erhob (und variierte) umfangreiches Datenmaterial: Tageszeit, Art des getankten Benzins, Fahrzeiten hin und zurück usw. Mit der Zeit fiel der Groschen, als er bemerkte, dass er weniger Zeit für den Kauf von Vanille-Eis als für den Erwerb der anderen Eissorten brauchte. Nicht das Eis und nicht das Auto waren das Problem, sondern allein die Anordnung der Eissorten in der Eisdiele. Vanille, die beliebteste Geschmacksrichtung, wurde wegen der großen Nachfrage direkt am Eingang des Ladens ausgegeben, alle anderen Sorten weiter hinten. Dort das richtige Eis auszuwählen, zu zahlen und den Laden wieder zu verlassen, dauerte beträchtlich länger. Damit aber verschob sich die Logik der technischen Frage: von der Frage nämlich nach einem Zusammenhang zwischen Eissorte und Startverhalten zu der Frage nach der für den Eiskauf insgesamt erforderlichen Zeit und der zwischenzeitlichen Abkühlung des Pontiac-Motors. Dampfblasenbildung [„Vapor Lock“] erwies sich schließlich als die richtige, ganz „eisfreie“ Beschreibung des tatsächlichen technischen Problems.

Als die vorhin versprochene „Moral von der G’schicht“, die schon für das Alltagsleben gilt, aber gerade dem Sammler besonders ans Herz gelegt sei, dürfen wir festhalten:

  • Erster Merksatz: Nicht immer ist der erste Gedanke der richtige.
  • Zweiter Merksatz: Auch, was offensichtlich scheint, ist nicht immer wahr.
  • Dritter Merksatz: Ganz gleich, wie verrückt die Beantwortung einer Frage oder die Lösung eines Problems klingen mögen, sie könnten dennoch zutreffen.
  • Vierter Merksatz: Eine Tatsache, wie unplausibel sie auch immer sein mag, ist eine Tatsache.

Mit dieser Vierfach-Moral bin ich (nicht nur) auf dem Briefmarkenmarkt stets gut gefahren. Allerdings bin ich noch die Erklärung schuldig, was genau mich dazu veranlasst hat, die vorstehende Geschichte zu erzählen und gar eine Serie von Merksätzen aus ihr abzuleiten. Es war das Los Nr. 616 der aktuellen Schwanke-Auktion: Diese Ersttagsstempel könnten nie und nimmer echt sein, war mein erster Gedanke – noch bevor ich die Losbeschreibung so recht wahrgenommern hatte – angesichts der Abbildung der beiden wertentscheidenden Marken aus Österreichs Vogelsatz des Jahres 1953. Das einzig Falsche war hier jedoch meine spontane Vermutung: Ein aktueller Fotobefund des österreichischen Prüfers Soecknick bestätigt dagegen: „Echt und einwandfrei“.

Toller Vogel

Die berühmte Basler Taube ist nicht nur – aber das ist eine Geschmacksfrage – eine der schönsten und beliebtesten Briefmarken der Philatelie-Geschichte. Sie ist außerdem auch die erste mehrfarbige Briefmarke der Welt, ferner eine der frühesten mit partiellem Prägedruck. Zudem – und deshalb vor allem verweise ich auf sie – ist sie soeben 170 Jahre alt geworden; ihr amtlicher Ersttag war der 1. Juli 1845. Eines der Qualitätsmerkmale, die man für eine Basler Taube in Ansatz bringen kann, ist das vollständige Vorhandensein intakter, nicht ergänzter weißer Markenränder. Dieses Kriterium ist bei dem hier gezeigten Exemplar aus der aktuellen Schwanke-Auktion durchaus erfüllt, auch wenn der untere Rand vielleicht ein wenig knapper ausgefallen ist als wünschenswert. Ich hatte unlängst die willkommene Gelegenheit, ein wenig zu den Vorbereitungen einer Jubiläumsausstellung zur Basler Taube in der Schweiz beizutragen, und ich hatte in diesem Zusammenhang einige der besten und außergewöhnlichsten „Täubchen“ zu sichten. Ich habe daher eine recht gute Vorstellung davon, wie wenige dieser seltenen Marken sich heute noch in guter bis wenigstens akzeptabler Erhaltung präsentieren. Das hier gezeigte Stück zählt – soweit denn ein Photo der Markenvorderseite überhaupt eine Einschätzung zulässt – zweifellos zu den schöneren der ohnehin nur wenigen erhaltenen ungebrauchten Exemplare. Eine Basler Taube in solcher oder vergleichbarer Erhaltung ist immer eine Augenweide.

Luftpostmarken aus dem fernen Osten

Falls und insofern Seltenheit ein relevantes Kriterium ist, hat die Luftpostausgabe Wladiwostok-Spassk aus der russischen Republik des Fernen Ostens als komplette Serie mit insgesamt 19 Werten (einschließlich vier geschnittener Marken und der drei bekannten Werte mit kopfstehenden Aufdrucken), allesamt postfrisch erhalten, den Liebhabern des Seltenen und Ausgefallenen wahrhaftig etwas zu bieten. Beachtung verdient nicht nur, dass die MICHEL-Katalogisierung keine Postfrisch-Notierungen für diese Marken kennt, sondern auch, dass Aufdruckkopfsteher der Katalogredaktion bisher noch nicht einmal zur Kenntnis gekommen sind. Bei Auflagen je Marke, die lt. MICHEL „zwischen 25 und 27 Stück“ liegen, ist eine Preisschätzung ab 15.000 Euro für diesen exklusiven Bestand sicher nicht übertrieben.

Auf den Kopf gestellt: Marken mit kopfstehenden Bildteilen

Briefmarken mit Bildteilen, die relativ zu allen anderen Elementen auf dem Kopf stehen, gehören zum Spektakulärsten, was die Philatelie überhaupt zu bieten hat. Es gibt sie zwar aus fast allen Sammelgebieten, was die Anlage variantenreicher Kollektionen prinzipiell möglich macht; doch zählen die individuellen Stücke oft zum Seltensten, was die betreffenden Sammelgebiete überhaupt zu bieten haben: Man denke an die „Inverted Jenny“ und die an der Decke fahrenden Eisenbahnen und Schiffe (alle USA), die kopfstehenden Wiener Parlamentsgebäude (Österreich, siehe Los-Nrn. 119 und 578), Ungarns „kopfstehende Madonna“ oder Guatemalas kopfstehender Quetzal (siehe die Lose Nrn. 128-130) und viele weitere Beispiele. Bildmittelstücke, Rahmen, Auf- oder Unterdrucke, alles kann im Briefmarkendruck auf dem Kopf stehen, solange es nur in einem anderen Druckgang als die übrigen Elemente des Markenbildes hergestellt worden ist. Nicht weniger als 23 Positionen (Lose 116-137, 578) solcher Art kann die Schwanke-Auktion diesmal vorweisen.

Lukrative Drei- und Viertausender

Nein, nein, nicht von alpinen Klettereien ist hier die Rede (Gott bewahre!). Vielmehr möchte ich Ihnen abschließend noch ein paar interessante Einzelstücke ans Herz legen, die allesamt mit einer Schätzwertvorgabe von 3000 bzw. 4000 Euro in die Schwanke-Auktion gehen. Der bloße Schätzwert ist freilich kein philatelistisches Kriterium, sehr wohl aber ein wissenswertes und praktisch handhabbares. Hinweisen möchte ich aus diesem Preisbereich beispielsweise auf eine wundervolle, literaturbekannte Mehrfachfrankatur der preußischblauen hamburgischen 3 Sch. (MiNr. 15b) auf Drucksache nach New York (Los 6) und auf eines der wenigen erhalten gebliebenen Stücke der sog. Helgoländer „Pilger-Karte“.

Spektakulär ist auch das Spezialangebot einiger Block-Abarten deutscher Sammelgebiete –von einem ungezähnten postfrischen Block 6U des Deutschen Reiches (Los 27) bis hin zu einem ungezähnten Widerstandskämpfer-Block der Bundespost (Los 35) und Saar-Block 2FU postfrisch ohne Markendruck (Los 36). Verlockend scheinen auch eine sehr schöne MiNr. 13 Oldenburgs vom Oberrand auf Luxusbrief mit kontrastreichem blauen Stempel (Los 12), ein knappes Dutzend Ganzsachen-Raritäten der SBZ-Bezirkshandstempelaufdrucke aus dem Bestand Helmuth Messmers (Lose 40-50), Luxusstücke der dänischen MiNr. 2 I und der finnischen MiNr. 1 II je auf Briefen (Lose 63-64), ein postfrisches Randstück von Islands MiNr. 15 B (Los 71), eine ungebrauchte Zähnungsrarität MiNr. 100 B von Liechtenstein (Los 498), ein gestempelter Viererblock der 6 Crazie dunkelblau (MiNr. 15) der Toscana (Los 74), Norwegens erste Briefmarke ungebraucht sowie zwei qualitätsvolle Norwegen-Frankaturen (Lose 77-79), ein guter „rosa Merkur“ Österreichs (Los 80), eine ideale gestempelte schwedische Nr. 1 (Los 83), der Schweizer Farbfehldruck Nr. 203 z (Rot statt Violett; Los 89), die MiNrn. 9, 10 und 16 von Hawaii in beachtlichen ungebrauchten Einheiten (Lose 94-96) sowie kuriose, kaum jemals angebotene Marken, Briefstücke und ein Brief der entlegenen Clipperton Islands (Lose 113-115).

Gerd H. Hövelmann

Rares und Kurioses (5) – oder Die Kunst des Schauens

Es gibt wenigstens drei verschiedene Methoden, alle gleichermaßen bewährt, mittels deren der Interessent sich gründlich über die Schwerpunkte und Vorzüge, die Spezialisierungen und die Eigentümlichkeiten eines Auktionsangebots informieren kann. Zwei von ihnen dürfen als traditionell gelten, die dritte steht dank der technischen Entwicklung erst seit wenigen Jahren zur Verfügung. Sie alle haben ihre gesonderten Vorzüge, weshalb hier keiner der drei Methoden zu Lasten der jeweils anderen der Vorzug gegeben werden soll; sie alle lassen sich zudem sinnvoll und zeitökonomisch kombinieren.

Klassisch sind erstens die formalen Besichtigungsgänge (mit oder ohne vorherige Kenntnisnahme des Angebotenen) in den Hinterzimmern der Auktionsveranstalter selbst. Wann immer es sich realisieren lässt und es mutmaßlich den zeitlichen und organisatorischen Aufwand (Anreise, evtl. Hotelaufenthalt) lohnt, sind solche Besichtigungsgänge zweifellos eine gute Wahl, denn nur sie führen den Besichtiger und das Anzuschauende tatsächlich zueinander. Da die potentielle Auktionskundschaft heutzutage aber nur noch in Ausnahmefällen lokal dominiert ist, sondern sich vielmehr als wenigstens national, fast immer aber als international erweist, ist die direkte persönliche Auktionsbesichtigung längst nicht mehr der Regelfall. Vielmehr werden Gebots- und Kaufentscheidungen vorzüglich anhand der Eindrücke gefällt, die die Offerte im gebundenen, heute bisweilen luxuriös ausgestatteten Auktionskatalog generiert. Als dritte Option zur Kenntnisnahme des Auktionsangebots bietet sich (erst) seit einigen Jahren die Selbstunterrichtung anhand der Darstellung auf der Webseite des Auktionshauses an, die oft um elaborierte Download- und Vergrößerungs-Optionen ergänzt sind – vor allem Letztere sind ein vorbildlich einsetzbares ‚feature‘ auf der Homepage der Schwanke-Auktion.

Für welche dieser unterschiedlichen Weisen der Kenntnisnahme und Selbstvergewisserung (am besten für mehr als nur eine) man sich entschließen mag, ein Eindruck scheint leidlich konstant: Ganz gleich, welche Betrachtungsweise – Besichtigung, Katalog- oder Online-Studium – man wählt, man nimmt oftmals erstaunlich unterschiedliche Dinge wahr. Obwohl alle drei Arten der Betrachtung in der Regel mit großem Interesse, nachhaltiger Aufmerksamkeit und philatelistischer Sorgfalt betrieben werden, sieht der Interessent doch oft sehr verschiedene Dinge. Auch wenn sämtliche relevanten Merkmale in allen Darstellungsvarianten jeweils objektiv sichtbar sind, werden sie doch oft nur zu Teilen und manchmal gar nicht wahrgenommen. So funktioniert eben unsere gerichtete, d.h. von Interessen abhängige Wahrnehmung. Es scheint mir folglich ratsam, sofern der eigene Zeithaushalt es erlaubt, alle drei Betrachtungsweisen zum Zuge kommen zu lassen, und zwar nicht parallel, sondern nacheinander. Das mag zwar langwierig und ermüdend sein, und es hilft auch nicht immer sehr viel weiter, aber Sie werden sich häufig wundern, was Sie bei der einen „Ansicht“ Zug um Zug entdecken, das Ihnen bei den anderen Betrachtungsweisen vollständig entgangen ist.

Topstück einer neu entdeckten sächsischen Korrespondenz nach Australien, dazu eine spektakuläre 6-Farben-Frankatur nach Neuengland (wie sie z.B. in Preußen gar nicht herstellbar war; mehr als 5 Farben gingen dort nicht).

Zahlreiche ‚kleine‘ Spezialofferten

Nicht entgangen sind mir beim Studium des Angebots der 352. Schwanke-Auktion unter anderem – und vor allem – die ungewöhnlich zahlreichen, kleinen, aber gehaltvollen Spezialofferten (oft nur ein Dutzend einschlägiger Lose oder wenig mehr) aus vielen Gebieten der deutschen und internationalen Philatelie und Postgeschichte, auf die wir uns im Folgenden konzentrieren wollen. Nur wenige einschlägige Beispiele können allerdings hier vorgestellt oder auch nur erwähnt werden. Entsprechend empfiehlt sich das genaue Studium des abwechslungsreichen Programms – ganz egal, auf welchem der vorstehend skizzierten Wege.

Neben den bereits abgebildeten raren Sachsen-Briefen im niederen bzw. hohen vierstelligen Euro-Bereich gefallen – sehr viel günstiger zu haben – beispielsweise ein halbes Dutzend Lose mit ausnehmend hübschen, je mit Zusatzfrankaturen verwendeten Ganzsachen Islands (Ausrufe: 120 bis 700 Euro). Klassische europäische und außereuropäische Ganzsachen, jeweils mit guten Zusatzfrankaturen und seltenen Verwendungen oder Abstempelungen, finden sich auch in anderen Bereichen der aktuellen Schwanke-Offerte in stattlicher Zahl. Wenn wir von Island kommend im Norden bleiben, nämlich bei Norwegen, fällt zunächst ein handverlesenes Angebot mit rund 20 spezialisierten Losen der (meist) Oskar-Ausgabe des Landes mit schönen Streifeneinheiten und Mischfrankaturen auf, dazu Wappen-Ausgaben in Buntfrankaturen; die Taxen liegen hier zwischen 90 und 1500 Euro.

Nie zuvor zu Gesicht gekommen sind mir Ländermischfrankaturen zwischen klassischen Freimarken Österreichs (Kreuzer-Ausgabe) jeweils mit britischer MiNr. 22 auf zwei Briefstücken, die noch erkennbar einstmals nach Thailand bzw. nach China adressiert waren. Zu einem Gesamtgebot ab 1800 Euro steht das Pärchen zur Verfügung.

Eher aus der geographischen Nähe, nämlich aus Stuttgart, stammen dagegen zehn Positionen zur Stuttgarter Stadtpost (Lose Nr. 1810-1819; Startpreise je zwischen 100 und 1000 Euro). Wer das Handbuch zur Stuttgarter Stadtpost von Horst Jaedicke kennt oder einmal eine einschlägige (Ausstellungs-)Sammlung gesehen hat, der kann nicht nur die postgeschichtliche Begeisterung für ein solches Gebiet nachvollziehen, sondern er weiß auch, wie attraktiv – und teils auch selten – Belege dieser lokalen Stadtpostbeförderung sein können. Das Schwanke-Angebot bestätigt genau dies.

 

Auktionseröffnend bietet übrigens Albanien mit einer Auswahl guter Einzelwerte und Besonderheiten der Erstausgaben einige interessante Aufmacher. Mehr als 60, teils spezialisierte Positionen weist sodann das Angebot für Altitalien und das italienische Königreich auf; darunter sind sowohl gute und attraktive Frankaturen und gesuchte Einzelwerte als auch interessante Abarten und andere Spezialitäten wie zum Beispiel eine ungebrauchte MiNr. 10II des Kirchenstaats (1500 Euro), der ungebrauchte Modena-Fehldruck Nr. 2IF (400 Euro) – der so unzweideutig ist, dass er mich selbst noch in Versuchung führt –, ferner Parmas MiNr. 2 im nicht ganz astreinen gestempelten Viererblock (Ausruf 1000 Euro bei 45,000 Michel) und die Zeitungsmarke Nr. 1 auf Zeitung (2000 Euro). Hinzu kommen gute Briefe Altitaliens – beispielsweise ein unfrankierter Brief vom offiziellen Ersttag der Lombardei & Venetiens vom 1. Juli 1850 (250 Euro) sowie seltene Streifen- und Blockeinheiten aus den 1860er und 1870er Jahren. Die Schätzpreise beginnen „italienweit“ schon bei 70 Euro und scheinen teils „am unteren Ende kalkuliert“.
Wunderschön (und ab gerade einmal 300 Euro zu haben) ist auch die folgende Dreifarbenfrankatur der Österreichischen Post in der Levante nach Venedig – für die durchschnittliche Qualität dieser Italien-Offerte durchaus charakteristisch.

Für besondere Highlights aus deutschen Landen sorgt beispielsweise die Auflösung der sogenannten Sammlung „Fürstenhagen“ der Sowjetischen Besatzungszone. Das Angebot umfasst ca. 180 Positionen, mit jeder Menge dauergesuchter Spezialitäten, die – gerade bei diesem Gebiet besonders wichtig! – mit aktuellen Prüfungen, Attesten und Befunden daherkommen. Die aufaddierten Schätzpreise dieser 180 Lose bringen es auf mehr als 50,000 Euro, und sie sind, wenigstens mehrheitlich, so taxiert, dass noch „Luft“ bleibt, um ein wenig draufzulegen. Für den Spezialisten sind hier potentiell wenige Wünsche offen, soweit überhaupt eine noch so spezialisierungsversessene Sammlung der diffizilen Vielfalt der Philatelie der Sowjetischen Besatzungszone gerecht werden kann. Auf rund zwei Dutzend Lose aus der Auflösung einer guten Forschungssammlung Helgoland (vorsichtige Gesamttaxe: über 6600 Euro) muss außerdem unbedingt hingewiesen werden.

Für den eingefleischten Postgeschichtler mit einer guten Spürnase mag ferner ein Preußen-Brief, mit der Kopfmarke MiNr. 9 und zwei Exemplaren der Wappenmarke MiNr. 14 wertstufengleich und portokorrekt freigemacht, von einigem Interesse sein. Denn spätestens beim zweiten Blick erschließt sich, dass alle drei Marken zuvor schon einmal verwendet und auch vorschriftsgemäß abgestempelt worden waren – damit wird dieser Brief zu einem Dokument und Beweisstück für einen nicht nur versuchten, sondern vollendeten und insofern gelungenen Postbetrug.

Natürlich enthält das Angebot noch etlich weitere spannende Kollektionen, Spezialobjekte und Einzelmarken und Belege, die eine gesonderte Vorstellung erlauben und rechtfertigen würden. Beispielsweise bietet sich da eine bemerkenswerte, noch junge russische Abart aus dem Jahr 1962 an: Eine Sondermarke zum 100. Geburtstag des aserbaidschanischen Schriftstellers A. Sabir, die ein Porträt des Literaten zeigt. Alles prima, nur – die Inschrift war fehlerhaft (AZERBAITSCHAYN statt AZERBAITSCHAN, MiNr. 2625 I, russischer „Standard“-Katalog Nr. A2661). Zwar wurde diese Marke sofort vom Verkauf zurückgezogen und durch eine Ausgabe mit korrigierter Inschrift ersetzt. Doch 250 Exemplare entgingen der Vernichtung. In der Auktion zu haben ist ein postfrischer Eckrandviererblock, der – wenn nicht einmalig, so doch – jedenfalls höchst selten ist (Ausruf: 5000 Euro). Wohl Seltener noch, wenn auch letzthin ein wenig aus dem Fokus gerückt, dürfte die hier gezeigte MiNr. 3IIx von Mauritius sein – die erste Mauritius-Marke, die historisch auf die beiden POST-OFFICE-Werte folgte, präsentiert sich in akzeptabler Erhaltung mit Nummernstempel-Entwertung („3“) auf Briefstück mit beigesetztem Rahmenstempel SOUILLAC vom 9. März 1854 auf einem größeren Briefstück (3000 Euro). Neusüdwales schließlich steuert ca. 15 sehr beachtliche klassische Einzellose, darunter ein paar erstaunliche Markeneinheiten (zwischen nur 90 und 750 Euro), zum Angebot bei, Peru ein zentrisch gestempeltes Luxusstück seiner ersten Briefmarke (1800 Euro).
Für alles weitere sind Sie gerne aufgefordert, einen oder mehrere der eingangs skizzierten Wege zu beschreiten und sich mit dem Angebot der aktuellen Schwanke-Auktion hinreichend vertraut zu machen.

Gerd H. Hövelmann