Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (4): Die preussische Militärzensur im Jahre 1815

Die Preussische Militärzensur während Napoleons „100 Tage“

Nach der Befreiung Hamburgs von den Franzosen nahm das Thurn & Taxis`sche Postamt am 19.Mai 1814 wieder seine Arbeit auf. Das Postamt verwendete zunächst die „alten“ Stempel aus dem Kaiserlichen Reichs- Oberpostamt und aus der Franzosenzeit (R.4 HAMBURG und HAMBOURG).

Beide Stempel sind eigentlich nicht selten, da es zum Beispiel aus den „Weinkorrespondenzen“ Hamburg-Bordeaux auch heutzutage noch viel Material gibt. Aber es kann sich ja immer lohnen, alte Briefe auch einmal von hinten anzusehen oder die Inhalte zu lesen.

Insbesondere bei Briefen aus dem Jahre 1815 lohnt ein Blick auf die Rückseiten. Und das hat einen  Grund.

Ein kleiner geschichtlicher Überblick:

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig und Napoleons militärischer Niederlage wurde er in die Verbannung auf die Insel Elba geschickt. Doch nach nicht langer Zeit mobilisierte er seine Truppen und setzt von Elba wieder auf das französische Festland über.

Es war der 1.März 1815, als Napoleon Bonaparte von seinem Verbannungsort nach Frankreich zurückkehrte, und dies schreckte natürlich die europäischen Verbündeten (Österreich, Rußland, Preussen und Großbritannien), auf. Sie erneuerten ihre Allianz von 1814 und entschlossen sich auf dem Wiener Kongress  zum militärischen Eingreifen.

Die 100-tägige Herrschaft Napoleons, die „Cent Jours“, endete, wie wir im Geschichtsunterricht gelernt haben, mit der Schlacht von Waterloo am 15.Juni 1815. Aber während dieser 100 Tage war Europa in Aufruhr. Strenge Regularien, den Waren- und Güterverkehr nach Frankreich betreffend, wurden eingeführt, und die Angst vor Spionen und Spionage führte dazu, dass auch der Postverkehr überwacht wurde: Preussen richtete „Kommissionen“ ein, die den Postverkehr mit Frankreich betrafen.

 

 

Die Wiedergabe der „Bekanntmachung“ vom 27.März 1815 ist nicht besonders gut. Für unsere heutige kleine Betrachtung ist der Punkt (3) wichtig: „Es wird eine gemischte Kommission zur Durchsicht der nach Frankreich gehenden und von dort ankommenden Briefe niedergesetzt. Erstere werden deswegen offen zur Post gegeben; letztere eröffnet.“

Das war starker Tobak…

Und die hamburgische Post war besonders betroffen, denn über Hamburg lief z.B. alle Post von und nach Dänemark, und die preussischen Behörden argwöhnten, dass auf diesem Wege wichtige Informationen zwischen Frankreich und dem ehemaligen Verbündeten Dänemark ausgetauscht würden.

 

Die zensurierten Briefe erhielten auf der Rückseite den Stempel mit der Inschrift „KÖNIGL. PREUSS. ARMEE POLIZEI“ und dem preussischen Adler. Nach dem Werk von André Leralle „Les Marques Postales Francaises de Hambourg“ soll es von diesem Stempel zwei Typen geben. Ich habe vielleicht ein gutes Dutzend Belege mit diesem Stempel gesehen, aber die „zweite Type“ war nicht darunter.

Generell kann man feststellen, dass dieser Stempel selten ist, schließlich war er nur zwei Monate, im April und Mai 1815, in Gebrauch.

Danach kam Napoleons Waterloo, und der Spuk war vorbei.

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (3): Die Stempel DE HAMBURG mit und ohne Rahmen

Der Stempel DE HAMBURG mit und ohne Rahmen

Die Stempel, die ich hier vorstelle, gehören zu den frühesten Hamburger Poststempeln, beides sind in Hamburg abgeschlagene „Herkunftsstempel“ im Transitverkehr.

Der Stempel DE HAMBURG im Rahmen befindet sich auf einem Brief aus dem Jahre 1755, aus Bredevoort, einem Festungsort im holländischen Geldern und ist gerichtet an den „Gardemajor von Scholten im Dienste Seiner Majestät des dänischen Königs in Copenhagen“.

Der zweieinhalbseitige interessante Text in französischer Sprache bezieht sich auf militärische Dinge. Handschriftliche Vermerke „Frco Zutphen, Fr. Rynhousen“ weisen den Brief als bis dahin bezahlt aus.

Der einzeilige Stempel DE HAMBURG, also ohne den Rahmen befindet sich auf einem Brief nach „Wilster im Holsteinischen“, was zu der Zeit zu Dänemark gehörte. Der Brief ist ohne Inhalt, ein kleiner rückseitiger Vermerk datiert ihn auf das Jahr 1771.

Das rückseitige Papiersiegel zeigt einen gekrönten Löwen, die Randinschrift lautet SIG IVDIC CIVIS ELVERFELD. Der Brief, offensichtlich ein Amtsschreiben „An die competente Obrigkeit“, kam also aus dem heutigen Elberfeld, handschriftlich wurde „frco Münster“ notiert.

 

 

Beide Briefe liefen also in Süd-Nord-Richtung.

Es mag vielleicht wie der Streit um des Kaiser`s Bart klingen, aber zu diesen Stempeln gibt es ein interessantes posthistorisches Detail, das eine kleine Betrachtung verdient.

Über die Frage nämlich, „Wer hat denn den Transitstempel in Hamburg angebracht?“ gehen die Expertenmeinungen auseinander – war es das Kaiserliche Reichspostamt (das in den Händen von Thurn & Taxis lag) oder war es das dänische Postamt in Hamburg?

Dr. Ernst Meyer-Margreth sagt in seinem Handbuch „Die Poststempel von Hamburg“ [1], es handele sich in beiden Fällen um Stempel des dänischen Postamtes. Zwar gab es zu der Zeit noch keine Poststempel in Dänemark, aber im benachbarten Altona war bereits ein einzeiliger Stempel DE ALTONA in Gebrauch gewesen, in gleicher Form und Größe; zudem war Hamburg ja Endpunkt für die Thurn & Taxis`sche Post, und die Anbringung eines solchen Stempels hätte für die Thurn & Taxen gar keinen Sinn gemacht.

Dagegen ordnet Georg D. Mehrtens in seiner Ausarbeitung „Korrespondenz-Verkehr nach Skandinavien“ [2] beide Stempel der Kaiserlichen Reichspost zu. Insbesondere der „DE“-Hinweis auf den Herkunfts-/bzw. Transitort sei typisch für einen Stempel der Thurn & Taxis`schen Post.

In anderen Stempelhandbüchern – z.B. dem Stempelwerk der Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein [3] oder dem Vorphilawerk von Peter Feuser [4] – werden die beiden Stempel mal hier, mal dort gelistet.

Wollen wir uns festlegen?

Mangels Masse sind nur wenige weiterführende Vergleichsmöglichkeiten vorhanden; mit dem Rahmenstempel kenne ich nur 2 Briefe, vom ungerahmten Einzeiler ist bestenfalls ein knappes Dutzend in der Literatur notiert.

[1] Dr.Ernst Meyer-Margreth „Die Poststempel von Hamburg von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts“. Hamburg,1965. S.36

[2] Georg D.Mehrtens „Korrespondenz-Verkehr nach Skandinavien über die französische Post“, Beschreibung seiner Sammlung und Vortrag vor der International Postal History Fellowship, Frühjahr 2018

[3] Arbeitsgemeinschaft für Postgeschichte und Philatelie von Schleswig-Holstein,Hamburg und Lübeck e.V. Handbuch der Stempel von Hamburg bis 1875. Hamburg, 2004. S.11, Nr.26-27: „K.Reichs O.P.A.“

[4] Feuser/Münzberg. Deutsche Vorphilatelie. Spezialkatalog und Handbuch. Stuttgart, 2000. S.349, Nr.1350: „Hamburg (DK) Königl.Dänische Postanstalt“

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (2): Transatlantische Postverbindungen vor 1800

Die Königlich Französische Schiffspost.

Natürlich gab es schon weit vor 1800 Schiffsverbindungen von Deutschland über den Atlantik, insbesondere in die USA, aber ein regelmässiger Postdienst war nur in bescheidenem Umfang vorhanden. Hamburgs  „natürlicher“ Postweg war der über London und Falmouth. Für die Hamburger Kaufleute waren regelmässige Verbindungen enorm wichtig, und die boten mehr oder weniger die „Falmouth – New York Packets“ seit den Zwanziger Jahres des 18.Jahrhunderts.

Dann wurden die Vereinigten Staaten souverän, der amerikanische Unabhängigkeitskrieg endete 1783 im Frieden von Paris und Großbritannien verzichtete auf seine ehemaligen Kolonie.

Im gleichen Jahre, 1783, wurde die „Régie des Paquebots“ nach New York per Dekret des französischen Königs Louis XVI errichtet. Französische Postverbindungen zur Neuen Welt hatte es schon 20 Jahre vorher gegeben, doch war dieser Service nur für die königliche Post und vornehmlich für die französischen Kolonien (Guyana, Leeward Islands und Louisiana) eingerichtet worden. Die Dienste der neuen „Régie“ aber konnten von allen Bürgern genutzt werden. Und diese neue Postverbindung wurde auch anderen Interessenten – so zum Beispiel den Hamburger Kaufleuten  – angeboten.

Fünf Korvetten wurden für einen regelmässigen monatlichen Postverkehr von Port Louis nach New York, in Dienst gestellt, beginnend mit dem September 1783. Heimathafen war Lorient, später (ab 1786) Le Havre.

Ich möchte Ihnen hier einen Brief vorstellen, der mit dieser französischen Régie des Paquebots befördert wurde.

Hochinteressant ist auch der Inhalt des Briefes: Neben einigen geschäftlichen Dingen, die der Absender Georg Ludwig Brüning seinen Geschäftspartnern, der Firma „Terrasson Frères & Comp.“ in Philadelphia mitzuteilen hat, liegt als Einlage ein gedrucktes Werbeschreiben von Herrn Brüning bei, in dem er seine Dienste nochmals anpreist und auf weitere gute Geschäftsverbindungen hofft.

Seine kleine vorgedruckte Werbeannonce hat Herr Brüning auf dem „1sten Octobr. 1783“ datiert, er muss also schon recht früh Kenntnis von der neuen Schiffsverbindung gehabt haben. Den eigentlichen Geschäftsbrief hat er erst am 11.Juni 1784 geschrieben.

Die Rückseite des Briefes zeigt noch ein weiteres Detail, das für die Beförderung von Geschäftsbriefen in der damaligen Zeit typisch war:

„par adresse de V.T.H. Serv. (=votre très humble Serviteur) Rüdy & Thurninger L`Orient“, dem typischen Vermerk eines Forwarding Agents, der als Postagent in Lorient arbeitete. Ausweislich des Empfängervermerkes war der Brief am 11.September 1784 endlich in Philadelphia angekommen.

Die Zahl „20“ (Sols) ist die Taxierung für den Brief. 20 Sols entsprechen einer heutiger Kaufkraft von ca. 5 Euro!