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Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (11): Das Braunschweig-Lüneburgische Postamt

Das Braunschweig-Lüneburgische Postamt in Hamburg.

Die in Hamburg „ansässigen“ ausländischen Postanstalten sind uns Sammlern allgemein durch ihre Stempel (-Vielfalt) geläufig, z.B. vom dänischen, hannoverschen, mecklenburgischen oder schwedischen Postamt. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass über 100 Jahre lang eine eigenständige braunschweig-lüneburgische Post existierte, die ab 1706 Erwähnung findet und die in der Gr. Johannisstrasse Nr.10 untergebracht war. Als Küchenpost für die herzoglichen Höfe in Wolfenbüttel und Braunschweig schon früh erwähnt, war sie als Communionpost ab 1775 mit der großbritannisch-hannoverschen Fahrpost verbunden, aber auch das Stadtpostamt war angeblich daran beteiligt.[1]

(Bereits 1735  war die „Braunschweig=Wolfenbüttelsche Küchen=Post“ erwähnt: „Fähret ab mit Personen, Geld und Paqueten, im Sommer Mittwochs Abends um 5 Uhr, im Winter beym Thor=Schliessen, und kommt wieder an Freytags vormittags. In der Kleinen Johannis=Strasse im Preuß. Adler“). [2]

Nach der Schließung während der Franzosenzeit wurde die braunschweigische Post bereits ab  Ende Mai 1814 wieder eröffnet. Der Dienst wurde gemeinsam mit der hannoverschen Post ausgeführt, ab 1835 jedoch verlor sie ihre Eigenständigkeit und wurde von der hannoverschen Post übernommen.

Briefe, die der braunschweigischen Post zuzuordnen sind, kann man nur am rückseitigen Siegel des Postamtes erkennen, da es keine Poststempel gab.

In der Regel finden wir auf solchen Briefen die Fahrpoststempel des hannoverschen Postamtes. Der Brief, den ich Ihnen hier vorstelle, ist ein (post-) dienstlicher „Chargé“-Brief des Thurn & Taxis`schen Postamtes vom 26.Juni 1830. Er wurde vom braunschweigischen Postamt rückseitig gesiegelt („Herzogl. Br: Lun: Post Amt zu Hamburg“) und ist „An die Herzogliche Postdirection zu Braunschweig“ adressiert.

Poststücke der braunschweigischen Post in Hamburg sind sehr selten. Frau Gertraud Lange, langjährige Verbandsprüferin für beide Gebiete, Braunschweig und Hamburg, hatte in ihrem umfangreichen Archiv nur vier Belegstücke nachgewiesen.

 

[1] E.Maack „Die fremden Postämter in Hamburg“ in „Hamburg, seine Postgeschichte, Postwertzeichen und Poststempel“. Festschrift zur Erinnerung an die 50 jährige Wiederkehr des Gründungstages des Vereins für Briefmarkenkunde zu Hamburg von 1885. Hamburg,1935.

[2] LVIII.Accurate Post= und Boten=Charten der Vornehmsten Residentz= und Handels=Städte in Europa. Hamburg, bei Johann Christoph Kistners seel. Erben am Dom. Anno 1735,

 

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (10): „Aus bekannter Korrespondenz…“ – Hamburger Weinkorrespondenz

„Aus bekannter Korrespondenz…“,

diese Formulierung finden wir oft bei Beschreibungen alter Briefe oder Briefschaften in Auktionskatalogen. Es handelt sich in der Regel um Handelskorrespondenzen aus Firmenarchiven, die dort Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte überdauert haben.

Im 18. und 19.Jahrhundert spielen insbesondere die „Weinkorrespondenzen“ eine Rolle, das sind Korrespondenzen zwischen Handelshäusern – meist im Norden Europas – und den traditionellen französischen Weinanbaugebieten, und hier in erster Linie der Region von Bordeaux.

Ich habe erlebt, dass Juroren bei der Bewertung einer posthistorischen Ausstellungssammlung die Nase rümpfen, wenn in einem Exponat „zu viele“ Briefe an eine Adresse vorhanden sind. Andererseits könnten wir heute viele Entwertungen, Destinationen und Laufwege gar nicht darstellen oder in ihrem geschichtlichen Umfeld interpretieren, gäbe es diese Korrespondenzen nicht.

 

 

 

 

 

Eine besondere Stellung nimmt die Firma „Schröder & Schyler“ aus Bordeaux ein. Man mag es kaum glauben, aber diese Firma wurde bereits im Jahre 1739 in Hamburg gegründet, sie existiert heute also über 280 Jahre!

Schon vor fast 30 Jahren widmete das „Hamburger Abendblatt“ dieser Firma einen langen Artikel, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Die alten Weinkeller, die das eine Foto zeigt, existieren auch heute noch, genau wie auch die Firmenzentrale in Bordeaux, No. 35bis im Cours du Medoc.

Gehen Sie einmal auf die Webseite der Firma http://www.schroder-schyler.com,  und Sie werden „gewisse Ähnlichkeiten“ mit dem hier gezeigten Foto feststellen. Die Fotos haben wir im Sommer 2017 aufgenommen.

Heute ist die Firma Schröder & Schyler nach wie vor ein großer Händler für erlesene Weine. Auch ein eigenes Weingut gehört zum Unternehmen, das „Chateau Kirwan“, wo ganz ganz besonders gute Tropfen produziert werden.

Der heutige Chef der Firma, Yann Schyler, ist etwas reserviert, wenn es um Auskünfte zu alten Firmenkorrespondenzen geht. „Große Teile wurden gestohlen“, und man mag in eine Richtung denken, worin das böse Wort „Kriegsbeute“ vorkommt.

„Ich habe“, so Yann Schyler, „mehr als 400 Briefe zurückgekriegt, …, jetzt sind diese Dokumente wieder zu Hause. Interessant für mich ist, dass diese Briefe in Deutschland gesammelt werden, soweit ich sehen kann…“

Einen ganz kleinen Einblick, welche interessanten Dokumente wieder „zu Hause“ sind, gibt auch die entsprechende Sektion „Histoire“ auf der Webseite der Firma.

Ohne die Korrespondenzen aus Archiven solcher Firmen wie Schröder & Schyler wäre heute eine philatelistische Forschung, die ja auch politische und soziale Entwicklungen darstellt, nicht möglich.

Aspekte zur Hamburger Postgeschichte (9): Der Elektromagnetische Telegraph und das Österreichisch-Preußische Seegeschwader

Der Hamburger Elektromagnetische Telegraph

 

„Von Neuwerk wird signalisiert – Oesterreich.Kriegsschiffe in der Elbe“. Das telegraphiert am 4.Mai 4 Uhr Nachm. „Vogeler, Hafenmeister“ an den Syndikus Merck in Hamburg.

Wir sind im Jahre 1864 und mitten im Deutsch-Dänischen Krieg.

Der „Elektro-Magnetische Telegraph“ zwischen Hamburg und seiner „Außenstelle“ Cuxhaven (mit dem Amt Ritzebüttel) hat seine (welt-)politische Bewährungsprobe. Gegründet im Jahre 1848 als Nachfolger des optischen Telegraphen, diente er in erster Linie dazu, Schiffsmeldungen von Cuxhaven nach Hamburg zu senden, denn rasche Information war auch zu der Zeit oftmals bares Geld wert.  Nun, im Mai 1864, diente er der Kriegsberichterstattung. Im Hamburgischen Staatsarchiv sind eine ganze Reihe von Telegraphen-Meldungen aus dem Mai 1864 archiviert, in denen der (Hamburger) Amtmann in Ritzebüttel dem Senatssyndikus in Hamburg berichtet.

Folgen Sie ein wenig der Chronologie der Ereignisse:

6.Mai 1 Uhr 35 Nachm.

Amtmann Kirchenpauer [1] an Dr. Merck [2]: „ Der britische Regierungsdampfer Black Eagle ist eben auf hiesiger Rhede vor Anker gegangen“

6.Mai 5 Uhr 05 Nachm.

Abendroth an Dr.Merck: „In Folge eines Gerüchtes, dass die dänische Fregatte mit zwei Kanonenbooten N.W. von Helgoland sein soll, geht die vereinigte Escadron um 5 ½ Uhr in See.“

9.Mai 1 Uhr 5 Min.

Abenroth an Dr.Merck: „Die vereinigte Escadron kam gestern Abend unten in der Elbe zu Anker. – kam heute herauf bis Dampfschiff III und ging dann weiter seewärts..“

9.Mai 6 Uhr 50 Abends

Amtmann Kirchenpauer an Dr.Merck: „…heute zwischen Helgoland und der Elbe Gefecht mit 3 dänischen Fregatten. – Letzte Helgoländer Nachricht, dass deutsche Schiffe auf neutrales Gebiet steuern, eines stark beschädigt.“

10.Mai 7 Uhr 10 Morgens

Abendroth an Dr.Merck: „Heute morgen 4 Uhr die Escadron hier zu Anker.- Schwarzenberg…stark beschädigt, Radetzky, Adler, Blitz und Basilisk anscheinend wenig gelitten.“

10.Mai 10 Uhr 55 Vorm.

Amtmann Kirchenpauer an Dr.Merck: „Oesterr.-Preuß. Escadron früh eingetroffen.- Die Oesterreicher haben 40 bis 50 Todte, worunter 1 Officier, etwa 120 Verwundete, worunter 1 Officier.“

11.Mai 9 Uhr Vorm.

Amtmann Kirchenpauer an Dr. Merck: „…Tegetthoff Conter Admiral geworden. Bitte Nachricht ob Waffenstillstand..“

11.Mai 1 Uhr 40 Nachm.

Amtmann Kirchenpauer an Dr.Merck: „Heute an Bord. Admiral namens Senatus Aller angeboten…Die Verwundeten sind versorgt.- wegen Reparatur werden wir thun, was wir können. Näheres brieflich.“

Zur historischen Einordnung:

Am 9.Mai 1864 fand vor Helgoland die letzte Seeschlacht mit dänischer Beteiligung statt. Die Dänen waren strategischer Sieger und die österreichische Flotte musste sich in die neutralen Gewässer von Helgoland zurückziehen. In der Nacht zum 10.Mai machten sich die Österreicher und Preußen auf und davon und gingen vor Cuxhaven vor Anker. Am Ausgang des deutsch-dänischen Krieges änderte diese für die Dänen siegreiche Schlacht nichts. Bereits am 12.Mai trat der Waffenstillstand in Kraft, und der Krieg war für Dänemark verloren.

Verlassen wir hier für einen Augenblick den Schauplatz des Geschehens und wenden uns noch einmal dem „Elektromagnetischen Telegraphen“ zu.

Schon lange hatte der Wunsch der Hamburger Kaufleute bestanden, möglichst frühzeitig über die Ankunft der Schiffe, die von der Nordsee mit dem Ziel Hamburg kamen, informiert zu werden. Bereits im Jahre 1838 wurde ein optischer Telegraph zwischen Cuxhaven und Hamburg eingerichtet, der Nachrichten über sechs „Relais“-Stationen von Cuxhaven entlang der Elbe nach Hamburg übermittelte. Eine ausführliche Beschreibung dieser ersten Telegraphenlinie findet sich in einem Beitrag von D.Kasten [3]. Natürlich lag es in der Natur der Sache, dass dieser optische Telegraph immer nur bedingt einsatzfähig war, Schlechtwetter und Dunkelheit machten eine Datenübermittlung oftmals schwierig bis unmöglich.

So wurde im Jahre 1848 – nach amerikanischem Vorbild – mit dem Bau einer „elektromagnetischen“ Telegraphenlinie begonnen. Es wurde eine Compagnie gegründet, die für den Bau der Linie, aber auch für die Wartung und Instandhaltung zuständig war. Bereits am 4.Oktober des Jahres wurde die elektrische Telegraphenlinie eröffnet.

 

Welche Schwierigkeiten nicht nur technischer Art zu lösen waren, macht ein Traktat deutlich, das 1848 in Hamburg mit dem Titel „Der magnetische Telegraph und die angeblichen Gefahren desselben“ erschien.

Offensichtlich hatte es verschiedentlich Anschläge auf Einrichtungen der Telegraphenlinie gegeben, weil die ländliche und sicher oft auch abergläubische Bevölkerung diesem „neumodischen Kram“ sehr skeptisch bis radikal ablehnend gegenüberstand:

„Die Gegner der magnetischen Telegraphie …verstecken sich hinter der Unwahrheit, einen unscheinbaren Draht zu beschuldigen, er ziehe die Gewitter an, verführe dieselben zum Entladen ihrer zerstörenden Kraft, halte dann den Strahl nicht fest, sondern lasse ihn willkürlich in dieses oder jenes Gebäude abspringen….Indes die Falschheit ging noch weiter. Als nämlich vor zwei Jahren die Saat nicht gedeihen wollte, die Kartoffeln erkrankten und infolgedessen eine Theuerung eintrat, da benutzte der Betrug diese Erscheinung abermals zu seinem Vorteil, und wagte es nunmehr, in absolutem Gegensatze zu der früheren Behauptung: als ziehe der Draht die Gewitter an, – jetzt zu behaupten: es halte derselbe die Gewitter ab, verhindere ihren Ausbruch und entziehe also der Erde den nothwendigen Regen und dessen Fruchtbarkeit…“

Und in dieser Form geht es noch über sechs Seiten weiter…

Kommen wir zurück auf die Berichterstattung zur Seeschlacht vor Helgoland:

Das sogenannte „Publikum“ muss schon damals regen Anteil an den Geschehnissen genommen haben, besonders natürlich im Norden und insbesondere in Hamburg.

Helgoland hatte den Tourismus schon vor über 20 Jahren entdeckt (nämlich ab dem Jahre 1826) und war sicher für viele Hamburger ein attraktives Reiseziel. „Insulaner und Kurgäste beobachteten das Spektakel“, ist in Helgoländer Chroniken zu lesen, aus einer komfortablen Position, denn Helgoland war zu der Zeit britisch und England in dem militärischen Konflikt neutral.

In der „Zeitung für das Amt Ritzebüttel und Umgebung“ finden wir in der Ausgabe vom 14.Mai 1864 eine Anzeige der Firma J.C. Angelbeck, die Photographien der Fregatte Schwarzenberg anbietet, und zwar „nach Ankunft aus dem Gefechte, von Backbord und Steuerbord aus…“. Das waren ganz besondere Souvenirs!

Viele Gedenktafeln und Denkmäler wurden im Nachgang zu dieser Seeschlacht errichtet, u.a. auf Helgoland, in Hamburg-Altona, aber auch in Wien.

Es mutet fast paradox an, dass auf beiden Seiten „gefeiert“ wurde. In Kopenhagen ließ man den dänischen Kommandanten Edouard Suenson und sein Geschwader hochleben, in Wien wurde Admiral Wilhelm von Tegetthoff zum Konteradmiral befördert.

Nach dem Waffenstillstand vom 12.Mai wurde die dänische Flotte nach Kopenhagen zurückbeordert; das österreichisch-preußische Geschwader aber verblieb noch in der Elbmündung und versah „Kreuzungsdienst“ im Nordseeraum, bevor mit dem Frieden von Wien am 30.10.1864 die Mission erfüllt war. Die österreichische Flotte war danach – in der zweiten Novemberhälfte des Jahres – wieder in ihrem Heimathafen Pola zurück.

Frederic Patka hat in seinem monumentalen Werk [4] über die Aktivitäten der österreichischen Flotte im Nordseeraum berichtet. Aber er widmet sich nicht nur den kriegerischen Ereignissen, sondern beschreibt auch „Postalisches“ und belegt dies mit zahlreichen Beispielen. Allerdings: „Die Belegausbeute ist … eher dürftig.“

Für alle Post von und an Marineangehörige der österreichischen Marine war Hamburg als Feldpostexpositur sozusagen die Leitstelle. Nachstehend zeige ich einige Poststücke, auf denen auch die verschiedenen Stempel und Siegel zu sehen sind.

Das Amt Ritzebüttel mit dem Hafen von Cuxhaven hatte, wie wir sehen, im Jahre 1864 ein recht hohes (zusätzliches) Postaufkommen…Die Bedeutung dieses Hamburger Außenpostens für Wirtschaft und Verkehr der Hansestadt sollte gebührend unterstrichen werden!

Anmerkungen:

[1] Gustav Heinrich Kirchenpauer war von 1858 bis 1864 Hamburger Amtmann in Ritzebüttel. Der Hamburger Amtmann war vom Senat „abgestellt“ und hatte umfassende Vollmachten. Auch der Name „Abendroth“ ist eng mit dem Hamburger Senat und der Amtmannstelle in Cuxhaven/Ritzebüttel verbunden. Der „Abendroth“, den wir auf den hier betrachteten Telegrammen kennenlernen, war aber nicht Amtmann – vermutlich ein Sohn (?) von Amandus Augustus Abendroth, der von 1814 bis 1821 Amtmann in Ritzebüttel und später Hamburger Bürgermeister war.

[2] Carl Hermann Merck war lange Jahre Senatssyndikus (eine Position, die zwischen Bürgermeister und Senat angesiedelt war). Aufgrund seiner Vollmachten und seiner Bedeutung stand ihm die Anrede „Magnifizenz“ zu.

[3] D.Kasten, „100 Jahre Telegraphenamt Hamburg“ in den Postgeschichtlichen Blättern Hamburg,1968.

[4] Frederic J. Patka. „K.(u.)k.-MARINEPOST 1798-1914“. Wien 1989. Kapitel 2.15 Die Operationen in der Nordsee während des 2.Dänischen Krieges 1864, S.268-284.